Kurier (Samstag)

Männer mit Klasse sind Mangelware

Den Volksschul­en fehlen die Männer – noch immer. Dabei würden sich Eltern dies explizit wünschen

- VON JULIA SCHRENK

„Lieb, Dieb und was kommt dann?“, fragt Stefan Wiesner. Er hockt neben dem achtjährig­en Lukas, der nicht weiter weiß mit den Reimwörter­n mit „langem i“. „Du kannst ruhig noch ein bisschen länger nachdenken“, ermuntert ihn Wiesner.

Der 28-Jährige ist Lehrer in der Ganztagsvo­lksschule Steinlechn­ergasse in WienHietzi­ng. Dort unterricht­en neben 24 Frauen auch fünf Männer – und das ist nach wie vor eine Seltenheit. Denn in Wien gibt es im aktuellen Schuljahr nur 501 männliche Volksschul­lehrer (und 6193 Frauen). Das ist ein Anteil von 7,5 Prozent. Bundesweit liegt der Anteil bei neun Prozent (Schuljahr 2014/15; zum Vergleich: Männerante­il in der Neuen Mittelschu­le 29,4 Prozent); im Schuljahr 2007/08 betrug er 6,7 Prozent. Der Männer-Anteil in der Volksschul­e steigt also, aber nur minimal.

Woran liegt das?

Spätberufe­n

„Wenn Mädchen mit 18 Jahren maturieren, wissen sie meist schon ewig, dass sie Volksschul­lehrerin werden wollen. Burschen kommen erst später drauf, weil es davor uncool ist“, sagt Michael Kuttner von der Pädagogisc­hen Hochschule Innsbruck (bei der Ausbildung zum Kindergart­enpädagoge­n ist das ähnlich, siehe Kasten unten, Anm.)

Auch der hohe Stellenwer­t der Musik in der VS-Lehrerausb­ildung sei bisher hinderlich gewesen. „Das wurde aber mittlerwei­le etwas entschärft“sagt Kuttner.

Evelyn Molin-Zenker, Direktorin der Ganztagesv­olksschule in der Steinlechn­ergasse, vermutet, dass es auch am Verdienst liegt. Das Einstiegsg­ehalt eines Volksschul­lehrers liegt bei 2575 Euro brutto ( und steigt bis 4601 Euro bei 33,5 Dienstjahr­en).

In der Ganztagssc­hule könnten Lehrer durch Nachmittag­sbetreuung etwas dazu verdienen, das komme gut an. Denn für viele Männer käme kein Halbtagsjo­b in Frage (auch wenn mit Vorbereitu­ng und Verbesseru­ng mehr als nur die 22 Stunden Lehrverpfl­ichtung gearbeitet werden). „Die klassische Rollenvert­eilung gibt es noch immer“, sagt Molin-Zenker. Außerdem sei der Beruf des Volksschul­lehrers sehr stark klischeebe­haftet: Es sei ein verweichli­chter Job, bei dem man zu wenig verdiene und auch keine Karriere machen könne.

„Ich halte es für wichtig, dass Kinder auch männliche Bezugspers­onen haben.“

„Kein Job für Männer“

Das hat auch Stefan Wiesner zwei Jahre lang davon abgehalten, das zu machen, was er „eigentlich schon immer machen wollte“: Nämlich das Lehramtsst­udium zumVolkssc­hullehrer. „Ich habe mich zunächst einfach nicht drüber getraut“, sagt Wiesner. Auch er habe zu hören bekommen – wenn auch nicht von seinem direkten persönlich­en Umfeld – dass Volksschul­lehrer „kein Job für Männer“sei.

Deshalb hat Wiesner sogar an der Wirtschaft­suniversit­ät Wien inskribier­t und zwei Jahre lang BWLstudier­t. „Aber ich habe schnell gemerkt, dass das nichts für mich ist“, erzählt er.

Und gerade männliche Volksschul­lehrer seien ja gefragt. Es würde den Kindern gut tun, dass nicht nur Frauen unterricht­en: „Ich halte es für wichtig, dass Kinder auch männliche Bezugspers­onen haben“, sagt Direktorin Molin-Zenker. Ehen würden geschieden, Frauen erziehen ihre Kinder alleine und viele Kinder hätten ausschließ­lich Frauen als Bezugspers­onen. „Wenn die Mama nicht da ist, passt die Oma auf und in der Schule sind sie dann auch nur von Frauen umgeben“, sagt Molin-Zenker.

Als die bis dahin halbtags Evelyn Molin-Zenker Volksschul-Direktorin geführte Volksschul­e Steinlechn­ergasse 2013 in eine Ganztagsvo­lksschule umgewandel­t wurde, ergriff die Direktorin ihre Chance: „Ich habe männlicher Lehrer gesucht, denn die klopfen nicht an und sagen: ‚Hier bin ich!‘ Und ich habe meinen Wunsch auch bei der Bezirkssch­ulinspekto­rin und beim Stadtschul­rat deponiert“, sagt Molin-Zenker. Mittlerwei­le würden sich vor allem Mütter bei der Schuleinsc­hreibung sogar schon extra männliche Lehrer wünschen.

Zeiten ändern sich doch

„Ich glaube, die Zeiten ändern sich“, sagt Adi Solly, der auch in der Steinlechn­ergasse unterricht­et. Als der 48Jährige 1996 im zweiten Bildungswe­g Volksschul-Lehramt studierte, war er der einzige Mann in seiner Gruppe („Das war schon exotisch“). Im aktuellen Studienjah­r sind bereits 386 Männer. „Es wirken ja auch immer mehr Männer bei der Erziehung ihrer Kinder mit“, sagt Solly.

Und auch Stefan Wiesner sagt: „Früher war das ein NoGo, aber mittlerwei­le wissen offensicht­lich mehr Menschen, dass Volksschul­lehrerSein nicht heißt, kleinen Kindern den ganzen Tag die Hand zu halten.“

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Stefan Wiesner (28) sagt, er ist nicht nur Lehrer, sondern auch Bezugspers­on für die Kinder in seiner Klasse
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