Kurier (Samstag)

Beinhartes Match um EU-Gasmarkt

Senat in Washington will Europas Energiekon­zernen Teilnahme an Nord Stream verbieten

- VON IRMGARD KISCHKO

Ein Gesetzesen­twurf des US-Senats, der die Sanktionen gegen den Iran und Russland ausweiten soll, versetzt Europas Energie-Branche in Aufruhr. Ganz unverhohle­n wird in dem Entwurf nämlich festgehalt­en, worum es eigentlich geht: um den Verkauf amerikanis­chen Flüssiggas­es nach Europa und die Verdrängun­g russischen Erdgases vom europäisch­en Markt.

Per diesem geplanten Gesetz wollen die Amerikaner europäisch­en Energiekon­zernen verbieten, Geld in russische Pipelines zu stecken, sich an diesen zu beteiligen oder Pipeline-Teile zu liefern. Tun sie das doch, würden sie am US-Markt mit Sanktionen belegt. Das träfe in Österreich gleich zwei Großuntern­ehmen: die OMV und die voestalpin­e. Der heimische Öl- und Gaskonzern hat der russischen Gazprom eine Beteiligun­g an der Finanzieru­ng des zweiten Pipeline-Strangs der Nord Stream zugesagt. Und die Voest liefert dafür Spezialble­che.

Kein Wunder also, dass Bundeskanz­ler Christian Kern die amerikanis­chen Vorstöße scharf kritisiert­e. Zusammen mit dem deutschen Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel wies er „die völkerrech­tswidrigen exterritor­ialen Sanktionen gegen europäisch­e Unternehme­n, die sich am Ausbau der europäisch­en Energiever­sorgung beteiligen“, zurück.

Neben der OMV hat auch der deutsche Energiekon­zern Uniper, die französisc­he Engie und die niederländ­isch-britische Shell eine Finanzieru­ng der Nord Stream zugesagt. Rund 4,5 Mrd. Euro – die Hälfte der Gesamtkost­en – wollen fünf Konzerne zur Verfügung stellen, falls die russische Gazprom keine Projektfin­anzierung für den Bau der Nord Stream II aufstellt.

Europa braucht mehr Gas

Rund ein Drittel des gesamten europäisch­en Gasverbrau­chs von 500 Milliarden Kubikmeter im Jahr kommt aus Russland. Der Rest ist Eigenprodu­ktion und Import aus Norwegen und Nordafrika. Aus den USA, die seit einigen Jahren mit Fracking mehr Gas fördern, als sie brauchen, kommt bisher aber fast nichts nach Europa. Die europäisch­en Flüssiggas­Anlagen (u. a. in Rotterdam), wo das amerikanis­che Gas angeliefer­t werden könnte, sind nur zu einem Viertel ausgelaste­t.

Geht es nach dem Willen der Amerikaner, sollte sich das ändern. Dies ist aber nur möglich, wenn sie russisches Gas verdrängen. Denn Europas Gasverbrau­ch steigt nicht mehr. Im Gegenteil: er sinkt jährlich ein kleines bisschen. Warum sich die USA und Russland dennoch um ein Match um Europas Gasmarkt liefern, hat einen wesentlich­en Grund: Europas Eigenverso­rgung mit Gas wird in den nächsten Jahren dramatisch schrumpfen. Das größte EU-Gasfeld Groningen in den Niederland­en ist fast ausgeförde­rt und die britischen Nordseefel­der liefern jährlich um bis zu zehn Prozent weniger Gas.

„Dieser Produktion­srückgang verläuft viel rascher als der Nachfrager­ückgang“, sagt ein Gasexperte. Daher müssen die fehlenden Mengen durch Importgas ersetzt werden. Russland will den Großteil der Fehl-Mengen mit dem Bau der zweiten Röhre der Nord StreamPipe­lin abdecken. Bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Gas sollen auf diese Weise zusätzlich nach Europa transporti­ert werden. Für USFlüssigg­as wäre dann wenig Platz.Die USAsind aber nicht die Einzigen, die diese 1224 km lange Nord Stream II, die von Russland durch die Ostsee nach Deutschlan­d gelegt werden soll, verhindern wollen. Auch Teile der EU – al- len voran die Polen und Balten – lassen an dem Projekt kein gutes Haar. Brüssel versucht nun sogar, EU-Recht für die Nutzung der Pipeline, die mit Ausnahme von wenigen Kilometern nicht durch EU-Territoriu­m verläuft, vorzuschre­iben. Gazprom müsste dann Fremd- lieferante­n Gas durch die Pipeline transporti­eren lassen – für die Russen undenkbar. Undzuguter Letzt macht auch Greenpeace gegen die Pipeline mobil. Sie bedrohe Naturschut­zgebiete, sagt Greenpeace und fordert die OMV zum Rückzug aus dem Projekt auf.

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Ein Drittel des EU-Gasverbrau­chs kommt schon jetzt aus Russland. Der Anteil dürfte weiter wachsen
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Bundeskanz­ler Christian Kern hält Pläne der USA für Verstoß gegen Völkerrech­t

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