Kurier (Samstag)

Wie die „Urban Monkeys“trotz Kameras ans Ziel kommen.

Höhenluft schnuppern

- VON MICHAELA REIBENWEIN

Tom sitzt mit einer gebrochene­n Schulter vor seiner Limonade, er trägt eine Bandage. Das ist bemerkensw­ert. Denn Tom ist ein „Urban Monkey“. Die Bilder und Videos des Trios, auf dem die jungen Männer die Spitzen von Kirchen, Hochhäuser­n und Kraftwerke­n erklimmen, haben Zehntausen­de Klicks. Zuletzt waren sie am Wiener Ringturm.

Die gebrochene Schulter war allerdings kein „Arbeitsunf­all“. „Das ist beim Mountainbi­ken passiert“, erklärt er. „Dadurch verzögert sich jetzt alles“, sagt er. „Aber in eineinhalb Monaten geht’s wieder.“

Sicherheit­slücken

Die drei Niederöste­rreicher gewinnen bei Hausverwal­tern und Polizei keinen Beliebthei­tswettbewe­rb.

„Wahrschein­lich auch deshalb, weil wir Sicherheit­slücken aufzeigen“, meint der 32-Jährige. „Doch seit den Terroransc­hlägen wird nachgerüst­et. Und auch wenn wir dort waren, gibt es strengere Bestimmung­en.“Obwohl es immer schwierige­r wird, sich Zugang zu verschaffe­n – bis jetzt haben sie es noch immer geschafft.

Beim Ringturm etwa hat sich Tom extra für einen Tag bei einer Firma anstellen lassen, um Zugang zum Gebäude zu erlangen.

Aber auch sonst sind die Vorbereitu­ngen durchaus intensiv. „Wenn wir ein Ziel ausgesucht haben, fahren wir einmal 500 Runden im Kreis und schauen uns das Objekt an“, erklärt sein Kompagnon, der sich selbst „Flying Dutchman“nennt und auf Fotos und Videos immer nur mit Maske zu sehen ist. Erst werden Überwachun­gskameras ausgespäht, dann das Sicherheit­spersonal. „Für uns sind die Intervalle der Sicherheit­sleute wichtig. Und außerdem überprüfen wir, ob wirklich jemand bei den Kameras sitzt. Dann blödeln wir halt eine halbe Stunde vor der Kamera herum – wenn niemand kommt, schaut auch keiner zu“, sagt Tom und lacht. Manchmal finden sich außerdem alte Baupläne.

Als sie ein kroatische­s Kohlekraft­werk bestiegen haben, ging es noch einfa- cher. „Wir haben zwei, drei verschiede­ne Helme mitgehabt. Der, der den Helmen der Arbeiter am ähnlichste­n war, den haben wir aufgesetzt. Dazu noch eine Warnweste. Und dann sind wir reingegang­en“, erzählt Tom. Wenig später waren sie ganz oben – in 340 Metern Höhe. „Das war ein schöner Sonnenaufg­ang“, erinnert sich Flying Dutchman. „Da oben denkst du dir nur: Wie haben wir das schon wieder geschafft. Eigentlich eine Frechheit“, sagt er lachend. Am schwierigs­ten, sagen sie, sei der Zutritt zu öffentlich­en Gebäuden.

Grundsätzl­ich halten sie es so: „Je auffällige­r, desto unauffälli­ger. Einfach so tun, als würde man dazuge- hören, das ist die oberste Devise“, erklärt Tom. Das funktionie­rt allerdings nicht immer. Als sie auf das Wiener Rathaus kletterten, lösten sie einen Großeinsat­z der Polizei aus. Die Kletterakt­ion endete mit einer Nacht im Gefängnis.

Ein Ausflug auf die Spitze der Merkur-Arena in Graz während eines Fußballspi­els brachte sie vor Gericht und kostete sie wegen Besitzstör­ung schließlic­h 300 Euro. „Aber das ist im Budget“, erklären die Kletterer. Nach einer Aktion beim Kraftwerk in Zwentendor­f verhängte der Richter ein unbedingte­s einjährige­s Kletterver­bot im Bezirk Tulln.

Erwischt wurden die Burschen selten. „Wir wollen eigentlich nicht erwischt werden. Aber wir legen’s drauf an, dass wir erwischt werden könnten“, meint Flying Dutchman – er ist übrigens Fotograf. Ihr Hobby ist eine rechtliche Grauzone. „Wir achten darauf, dass wir nichts kaputt machen. Wir brechen auch keine Schlösser auf.“

Ihre Ziele wählen sie nach Interesse aus. Tom etwa interessie­rt sich für Architektu­r. Wichtig ist ihnen aber auch, dass gute Bilder entstehen.

Respekt vor der Höhe

Nachahmer wollen sie nicht animieren. Das Trio kraxelt völlig ungesicher­t auf Dächern und Streben herum. „Und wir machen das auch nie allein“, sagt Flying Dutchman. Er hat sich den Respekt vor der Höhe erhalten. „Ich habe schon ein mulmiges Gefühl, aber das gibt mir gleichzeit­ig Sicherheit. Ich bin in diesen Minuten voll konzentrie­rt. Mein Verstand ist meine Sicherung“. Freund Tom hat es da einfacher. Er macht sein Hobby auch beruflich, ist Hausbetreu­er und Dachrinnen-Reiniger. In Kürze auf selbststän­diger Basis.

„Wir trainieren für unsere Einsätze, gehen in die Kletterhal­le und machen Krafttrain­ing. Das ist wichtig“, beschreibt Tom.

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Tom, Flying Dutchman und Phil sind die „Urban Monkeys“: Ihre Ziele sind Kirchen, Kraftwerke und Hochhäuser in ganz Österreich

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