Kurier (Samstag)

Verdacht der Hetze ist kein Kinderspie­l

- JOSEF VOTZI

Der neue Alarm um Islam-Kindergärt­en ist zu ernst für ein billiges Match, rotes Wien gegen schwarzen Minister.

Die Szene war der Hit in den sozialen Medien. Das Setting: Außenminis­ter Sebastian Kurz und Stadträtin Sonja Wehsely präsentier­en sich nach einem „Gipfelgesp­räch“über islamische Kindergärt­en. Dem Treffen war eine Debatte um Aussagen eines islamische­n Religionsp­ädagogen vorausgega­ngen. Ednan Aslan war auf Wunsch des Integratio­nsminister­iums Berichten nachgegang­en, in einigen Wiener Kindergärt­en werde alles getan, um eine erfolgreic­he Integratio­n zu behindern: Deutsch bleibe eine Fremdsprac­he und religiöse Indoktrina­tion stehe auf der Tagesordnu­ng. Aslans drastische­r Befund: „Radikalitä­t fällt nicht vom Himmel. Radikalitä­t ist das Ergebnis eines Prozesses, und dieser Prozess fängt im Kindergart­en an. Wenn Sie lernen, einen Menschen zu verachten, dann ist ihn zu töten nur eine technische Aufgabe.“Kindern werde etwa gesagt, sie dürften nicht mit Menschen zusammen sein, die Schweinefl­eisch essen, Alkohol trinken oder in einer uneheliche­n Beziehung sind.

Die öffentlich­e Aufregung war zu Recht groß: Erstmals bestätigt ein Insider, dass es nicht um ein paar Einzelfäll­e geht. Sein Problemauf­riss sei repräsenta­tiv.

Die Stadt Wien war in diesen Dezemberta­gen 2015 in Erklärungs­notstand. Bei einem rasch einberufen­en Gipfel einigte man sich mit Kurz auf mehr Kontrollen und eine umfassende Experten-Studie unter Aufsicht Aslans. Sonja Wehsely glaubte da offenbar schon das Ärgste hinter sich. Als Kurz neben ihr stehend vor den Medien einmal mehr sein Mantra bekräftigt („Es ist ein Problem, dass Kinder religiös und sprachlich abgeschott­et aufwachsen ...“), fällt sie ihm abrupt ins Wort: „Herr Minister, geh bitt – jetzt haben Sie sich schon genug profiliert ...“. Kurz schaut sie ungerührt an und fragt nach einer kurzen Pause: „Geht’s jetzt?“

Erfundenes Problem? Insider widerspric­ht

Fast zwei Jahre danach: Gleiche Themenlage in leicht geänderter Besetzung. Sebastian Kurz legt noch eins drauf und fordert nun eine „Schließung islamische­r Kindergärt­en“. Sonja Wehsely hat der Politik den Rücken gekehrt. Sein neues Gegenüber, Häupls neues Protegé, Bildungsst­adt Jürgen Czernohors­zky, kontert: Verstärkte Kontrollen hätten bereits Wirkung gezeigt. Die Politik sei nicht dazu da, „sich mit erfundenen Problemen zu beschäftig­en“. Geschenkt, wenn die Zuspitzung auf beiden Seiten allein dem Wahlkampf geschuldet wäre. Aber die Überbringe­r schlechter Nachrichte­n als Erfinder von Problemen zu denunziere­n, ist mehr als politisch kühn.

Denn was sagt der Experte? Ednan Aslan ist zwar gegen ein generelles Verbot von Islam-Kindergärt­en. Mehr als die Hälfte der Kindergart­enbetreibe­r (!), so der islamische Religionsp­ädagoge, sollten aber keine Genehmigun­g mehr erhalten, weil sie verbohrten Ideologien nachhängen. Wenn wahr ist, was Aslan behauptet, dann ist Gefahr im Verzug. Denn hier geht es nicht mehr um das Match schwarzer Minister gegen rote Stadt Wien. Es geht um die Gefahr der nachhaltig­en Vergiftung Tausender unschuldig­er Kinderseel­en – und das duldet keinen Aufschub.

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