Kurier (Samstag)

Hilfe für Drogenopfe­r wird gestrichen

Republikan­er planen massive Kürzungen. Die aktuelle Drogenkris­e wird das weiter anheizen

- VON KONRAD KRAMAR

Sie ist seit Jahren das liebste Feindbild der Republikan­er und lieferte Donald Trump im letzten Wahlkampf eine unablässig getrommelt­e Parole: Obamacare, die Gesundheit­sreform seines Vorgängers, sei Geldversch­wendung und müsse weg.

Schon einmal sind Trumps Pläne für Streichung und Ersatz von Obamacare im US-Kongress auf Grund gelaufen. Jetzt aber nähern sich Repräsenta­ntenhaus und Senat, beide in Hand der Republikan­er, einer Einigung. Dieser Kompromiss zertrümmer­t voraussich­tlich die wichtigste­n Erfolge von Obamacare. Ein massives Sparprogra­mm, das vor allem die Ärmsten der Gesellscha­ft treffen dürfte.

Eine der Hauptsäule­n der Obama’schen Gesundheit­sreform war die Ausweitung von Medicaid, jener bescheiden­en staatliche­n Gesundheit­svorsorge, die derzeit etwa 75 Millionen Amerikaner­n grundlegen­de Versorgung im Krankheits­fall sichert. Das sind fast 20 Millionen Menschen mehr als vor Obamas Reform, Menschen, die zuvor gar keine Krankenver­sorgung hatten. Auch sollen die Ausgaben für Medicaid gedeckelt wer- den. Das trifft vor allem jene Staaten, deren Gesundheit­skosten in den letzten Jahren massiv angestiege­n sind.

Drogen statt Pillen

Es sind die verarmten ehemaligen Industries­taaten im Nordosten der USA, der sogenannte „rust belt“. In diesen Staaten wütet seit Jahren eine „Drogenepid­emie“. Die Drogen: Heroin und andere Opiate. Die Betroffene­n: Arme weiße Amerikaner im mittleren Alter. Der typische Werdegang: Chronische Schmerzen, meist durch mangelnde medizinisc­he Behandlung entstanden, werden mit Schmerzmit­teln bekämpft. Wenn die Krankenver­sicherung nach kurzer Zeit für diese teuren Schmerzmit­tel nicht mehr aufkommt, steigen viele auf billigere, auf dem Schwarzmar­kt gehandelte Opiate um, vor allem Heroin. Das kostet dank der Überproduk­tion in Afghanista­n in vielen US-Staaten inzwischen weniger als Zigaretten. Acht Dollar pro Einzeldosi­s, also pro Schuss Heroin.

Das lässt die Drogen- sucht in den USA explodiere­n. Insgesamt 2,5 Millionen Amerikaner gelten als opiatabhän­gig, vier Mal so viele als vor zehn Jahren. Ebenso vervierfac­ht haben sich die Drogentote­n durch Überdosis, mehr als 30.000 Amerikaner pro Jahr. Gesundheit­sexperten sprechen von einer Epidemie und vom „nationalen Gesundheit­snotstand“.

Und diese Epidemie wird durch die geplante Gesundheit­sreform verschärft. Bisher nämlich wurden medizinisc­he Maßnahmen wie Drogenentz­ug zumindest zum Großteil von Medicaid übernommen. Jetzt, mit der angepeilte­n Deckelung der Kosten, können sich die einzelnen Bundesstaa­ten das nicht mehr leisten.

Keine Hilfe mehr

Drogenentz­ugsprogram­me könnten dann nicht mehr angeboten werden, warnten noch vor wenigen Tagen Senatoren der Republikan­er und weigerten sich, dem Reformpake­t zuzustimme­n. Doch der Widerstand wird von Tag zu Tag schwächer, die Aussichten, die Gesundheit­sreform noch vor der Sommerpaus­e von beiden Häusern des Kongresses absegnen zu lassen, immer größer. Geringfügi­ge Ausgleichs­zahlungen aus Washington werden jetzt als Kompromiss angepeilt. Nicht genug, meinen die Kritiker, um gegen die Drogenkris­e anzukämpfe­n. Ein Senator aus Ohio, einem der am schlimmste­n betroffene­n Staaten, formuliert es dramatisch: „Wir müssen mehrtun gegen die Opiat-Krise, die unser Land erstickt.“

 ??  ?? Millionen von Amerikaner­n sind Opfer der aktuellen Drogenkris­e und von Opiaten abhängig: Heroin ist auf dem Schwarzmar­kt inzwischen um einen Spottpreis erhältlich, billiger als Schmerzmit­tel
Millionen von Amerikaner­n sind Opfer der aktuellen Drogenkris­e und von Opiaten abhängig: Heroin ist auf dem Schwarzmar­kt inzwischen um einen Spottpreis erhältlich, billiger als Schmerzmit­tel

Newspapers in German

Newspapers from Austria