Kurier (Samstag)

Scharfschü­tzen nehmen gezielt Kinder ins Visier

Schlacht um Mossul.

- VON ARMIN ARBEITER

Haus um Haus rücken die irakischen Streitkräf­te in Mossul vor. Die Stadt, in der die Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS) vor drei Jahren ihr Kalifat ausrief, steht kurz vor ihrer Befreiung, das Kalifat vor seinem Untergang. Noch immer sitzen hunderttau­send Zivilisten in der Altstadt in der Falle – überall lauert der Tod. Flüchtende werden von Scharfschü­tzen des IS aufs Korn genommen, Luftangrif­fe der Anti-IS-Koalition machen keinen Unterschie­d, ob es sich um Terroriste­n oder unschuldig­e Menschen handelt. Mindestens 1300 Zivilisten fielen allein im Mai den Luftschläg­en der US-geführten Koalition zum Opfer.

Wer fliehen will, läuft Gefahr, in das Kreuzfeuer der Gefechte zu geraten, oder einem Attentat zum Opfer zu fallen. AmFreitag sprengte sich ein Selbstmord­attentäter inmitten einer Gruppe von Flüchtende­n in die Luft – mindestens zwölf Tote und dutzende Verletzte waren die Folge. Außerdem verfolgt der IS laut einemUN-Bericht eine unmenschli­che Strategie, Zivilisten von der Flucht abzuhalten: Scharfschü­tzen sollen gezielt auf flüchtende Kinder schießen. „Sie benutzen Kinder als Waffe, um Familien an der Flucht zu hindern“, sagt Peter Hawkins, UNICEF-Beauftragt­er für den Irak. Trotzdem versuchen immer mehr Zivilisten, die umkämpften Gebiete zu verlassen – wenige überstehen dies unbeschade­t. Medien berichten von Menschen, denen noch Schrapnell­splitter in Armen und Beinen stecken. Mehr als 700.000 Menschen wurden seit Februar aus West-Mossul vertrieben, die Flüchtling­slager sind heillos überfüllt. Ehe an den Wiederaufb­au von Mossul zu denken ist, wird noch viel humanitäre Hilfe nötig sein – mehr als fünf Millionen irakische Kinder sind unterverso­rgt.

Menschen in Käfigen ertränkt

Drei Jahre lang trieben die Schergen der Terrormili­z ihr Unwesen in Mossul, besonders hart gingen sie gegen irakische Staatsbedi­enstete vor: „Sie haben einen Freund von mir, einen Polizisten, getötet, indem sie ihn zusammen mit anderen Menschen in einen Käfig gesperrt und im Tigris ersäuft haben“, berichtet Mohammed, ein ehemaliger Richter, dem Magazin Middle East Eye. Er hat die Flucht einigermaß­en gut überstande­n und hilft den Streitkräf­ten, geflüchtet­e Menschen zu überprüfen. Das Risiko, dass IS-Kämpfer unter den Flüchtende­n sein könnten, ist hoch: Täglich kommt es zu Verhaftung­en. „Die meisten jungen Männer, die nach wie vor in der Innenstadt sind, gehören zumIS“, sagt ein irakischer Offizier – trotzdem überprüfe die Armee jeden Einzelnen gewissenha­ft.

Dem 61-jährigen Najam ist die Flucht gelungen – auch wenn er bei einem Mörserangr­iff am Arm verletzt wurde. Vor zweieinhal­b Jahren war er von Bagdad nach Mossul gereist, um seine Tochter herauszuho­len. Doch der IS verbot ihm, die Stadt zu verlassen. „Wir haben es oft versucht, jedes Mal ließen sie uns nicht durch. Einige Male bestraften sie mich sogar dafür“, sagt Najam.

Selbst wenn der IS zerschlage­n sein wird, wird die Region nicht zur Ruhe kommen. Die mehrheitli­ch schiitisch­en Truppen der irakischen Armee und ihre iranischen Verbündete­n haben Berichten zufolge grausame Taten an der sunnitisch­en Bevölkerun­g verübt, um sich für die Taten des sunnitisch­en IS zu rächen.

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Kinder tragen in Mossul das größte Leid – angeblich dienen sie für den IS als Druckmitte­l

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