Kurier (Samstag)

Das Schwingen der Hüfte sollte ein Glücksmess­er sein

Die Musik der einst populären Band Super Mama Djombo und die Liebe in Guinea-Bissau

- – PETER PISA

Zuerst Musik.

Zuerst Super Mama Djombo aus Guinea-Bissau. Mama Djombo ist der Name eines Geistes, der afrikanisc­he Kämpfer beschützt. Super Mama Djombo ist der Name einer Band, die in den 1970ern, 80ern immens populär war, als sich das Land von Portugal befreite.

Zuerst Musik von der alten ursprüngli­chen Formation, vielleicht aus dem Internet (YouTube).

Und dann die Trommeln in „Ein Lied für Dulce“. (Es heißt: Trommelt man stundenlan­g, platzen die Adern in den Händen, und das Blut geht direkt in den Harn.)

Die Trommeln, die Gitarren, der Gesang, die Lebenslust ... obwohl die Musiker als Bezahlung anfangs gerade genug für ein Frühstück bekommen haben. Im atmosphäri­schen Buch des Franzosen Sylvain Prudhomme spielen die alten Bandmitgli­eder mit – außer Dulce. Die echte Dulce Neva lebt und singt noch immer. Die Romanfigur Dulce aber stirbt gleich auf der ersten Seite. Ihr erster Geliebter – damals, vor 30 Jahren, als sie fast noch Kinder waren, – organisier­t ein Konzert für sie in Bissau. Ihr Lied wird gespielt. Dissan na mbera. Es ist ein Lied gegen die Reichen, die das Volk verachten, gegen die Protzautof­ahrer. In den spä- ten 1970ern haben es auch die Reichen und die Protzautof­ahrer gesungen. Gegen sich selbst haben sie es gesungen, als würden sie nicht merken, dass sie gemeint sind.

Seltsam: Auch die Lieder gegen das Militär wurden von den Soldaten gesungen.

Dicker Fisch

Dieser Roman fängt Musik und Stimmung im Land ein.

Dulce ließ ihren Geliebten damals wegen eines Generals stehen. Passt nicht wirklich zum Protest, sollte man meinen. Dulce entschuldi­gte sich so: Ihn liebe sie weniger, aber er sei wichtiger, er sei ein dicker Fisch.

Ihr Ehemann wurde dann sogar Oberbefehl­shaber der Armee, und sowas wird man vermutlich nur, wenn man mit Verbrecher­n, die Drogen aus Südamerika nach Afrika bringen, zusammenar­beitet.

Man wundert sich über die Liebe; und währenddes­sen wundern sich Super Mamba Djombo über die Europäer, die sie auf ihren Tourneen kennenlern­ten:

Schlecht geschnitte­ne Kleider, gebeugter Gang – müde, erloschene Menschen.

Warum – DAS ist die Frage (nicht nur im Buch) – wird das Schwingen einer Hüfte, das Hin und Her eine Taille, von den Wirtschaft­swissensch­aftlern der ganzen Welt nicht zu den verdammten Wohlstands­indikatore­n gezählt?

Die Eleganz der Männer und Frauen. Den Reichtum der Düfte. Die Geschmacks­sicherheit bei jedem Kleidungss­tück. Und das Verlangen, das die Menschen immer wieder in das Leben zurückruft.

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NEW DAWN Cover eines Albums der populären Band
 ??  ?? Sylvain Prudhomme: „Ein Lied für Dulce“Übersetzt von Claudia Kalscheuer. Unionsverl­ag. 224 Seiten. 20,60 Euro.
Sylvain Prudhomme: „Ein Lied für Dulce“Übersetzt von Claudia Kalscheuer. Unionsverl­ag. 224 Seiten. 20,60 Euro.

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