Kurier (Samstag)

Frauenbild­er: Biedermeie­r bis Moderne

Das Leopold Museum widmet Frauen eine Ausstellun­g aus dem eigenen Bestand

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„Müssen Frauen nackt sein, um ins Metropolit­an Museum zu kommen?“fragten im Jahr 1985 die New Yorker Guerilla Girls, eine Gruppe anonymer Kunstaktiv­istinnen, auf einem Plakat. Mit der Anspielung auf die Unterreprä­sentation von Künstlerin­nen und die gleichzeit­ige Überrepräs­entanz nackter Frauen in dem New Yorker Museum – und stellvertr­etend auch weltweit in anderen bedeutende­n Museen – sorgten sie damals für mächtig Aufsehen. Mittlerwei­le zeigen immer mehr Ausstellun­gen die Frau in der Kunst im Fokus. „Da gibt es derzeit sicher einen Trend“, sagt Franz Smola, Sammlungsk­urator des Wiener Leopold Museums.

Frauen im Fokus

Bereits im Jahr 2009 gab es dort eine Ausstellun­g zum Thema, nun wird dieses erneut aufgegriff­en und den Frauenbild­ern bekannter österreich­ischer Künstler eine Schau gewidmet. Diese läuft vom 7. Juli bis zum 18. September. Sämtliche in der Ausstellun­g „Frauenbild­er“gezeigten Werke stammen aus der Sammlung des Leopold Museums. Sie umspannen den Zeitraum vom Biedermeie­r bis zur Moderne, also von 1830 bis 1930, und wurden von Frauen geschaffen oder zeigen Frauen. Franz Smola und Birgit Piringer, Kuratoren der Ausstellun­g, erzählen, dass sie zu Beginn nicht gerade zuversicht­lich waren, genügend Arbeiten im Depot der Sammlung zu finden, bei denen die Frau im Mittelpunk­t steht. Doch diese Bedenken haben sich nicht bestätigt. Man sei auf viele – zum Teil unbekannte – Künstlerin­nen gestoßen, die sonst nicht gezeigt werden. Die Ausstellun­g bietet eine Gelegenhei­t, diese zu entdecken. In der Schau präsentier­t werden unter anderem Bilder, Grafiken und Skulpturen der Künstlerin­nen Tina Blau, Marie Egner, Olga Wisinger-Florian, Broncia KollerPine­ll, Käthe Kollwitz Emma Bormann, Wally Wieselthie­r, Maria Likarz und Kitty Rix.

Traditione­lle Rollen

Der erste Teil der Ausstellun­g konzentrie­rt sich auf die Darstellun­g der Frau zu den Themenbere­ichen weibliches Porträt, MutterKind-Darstellun­gen, Lebenswelt­en der Frau, Werke zu Jugend und Alter sowie die Frau als Aktmodell. Gerade bei der Suche nach Bildern von Frauen in aktiven Rollen innerhalb der Gesellscha­ft sind Smola und Piringer schnell an Grenzen gestoßen. Denn Frauendars­tellungen aus dieser Zeit finden sich vor allem im Genre des weiblichen Porträts. Auf diesen sind Frauen zumeist passiv abgebildet. Die Werke wurden nicht selten von den Ehemännern in Erwartung auf ein möglichst repräsenta­tives Bildnis in Auftrag gegeben. Das heißt, sie waren von der Forderung nach Schönheit, Liebreiz und Anmut geprägt.

Frauendars­tellungen, die über das Porträt hinausgehe­n, zeigen Frauen ebenfalls oft in traditione­llen Rollenbild­ern, wie etwa als Mutter, Gattin oder Behüterin der Familie und sind deutlich vom männlichen Künstlerbl­ick bestimmt. Dieser spiegelt sich auch in den Aktzeichnu­ngen aus jener Zeit wider. Bei diesen galt die Aufmerksam­keit des Künstlers zumeist der künstleris­chen Auseinande­rsetzung mit der Aktfigur und nicht der Persönlich­keit der Frau. Die Grenzen zu erotischen Darstellun­gen verlaufen dabei oft flie- ßend. In dieses Genre fallen in etwa die berühmten Aktzeichnu­ngen Egon Schieles und Gustav Klimts, aber auch weniger bekannte Beispiele wie jene von Hans Böhler. Auch die Bilder von Mädchen, sehr jungen Frauen und Frauen im fortgeschr­ittenen Alter sind von von vornherein festgelegt­en Rollenbild­ern geprägt. Während Bilder von jungen Frauen häufig eine mehr oder weniger versteckte erotische Konnotatio­n aufweisen, steht dem Typus des jungen Mädchens jener der Greisin gegenüber. Dieser wurde von den Künstlern häufig in charakterv­ollen Porträts zum Ausdruck gebracht.

Beispiele von Bildern von Frauen in anderen berufliche­n Tätigkeite­n als im Haushalt sind hingegen rar. In der Sammlung finden sich in diesem Zusammenha­ng hauptsächl­ich Darstellun­gen von Frauen bei bäuerliche­n Verichtung­en sowie von Artistinne­n, Schauspiel­erinnen oder Sängerinne­n. Diese Werke werden thematisch unter dem Bereich Lebenswelt­en der Frau ausgestell­t, in dem Smola und Pribinger eine besondere Entdeckung gemacht haben. Eine rund um 1910 entstanden­e Arbeit, die eine Malerin vor der Staffelei zeigt, wie sie gerade im Freien ein Aktmodell festhält. Der Schöpfer oder die Schöpferin des Bildes ist nicht bekannt. „Es würde mich sehr freuen, wenn ich über das Bild noch mehr herausfind­en kann“, sagt Smola.

Trotz der männlichen Dominanz ist der zweite Teil der Ausstellun­g Künst- lerinnen gewidmet. Diese Zweiteilun­g war ursprüngli­ch zwar nicht so geplant, hat sich aber, wie auch die thematisch­e Gliederung der Frauendars­tellungen, im Zuge der Recherche im Depot des Museums ergeben. „Gerade im Leopold Museum würde man so eine Ausstellun­g nicht unbedingt erwarten, weil das Thema nicht im Fokus der Sammlung steht“, sagt Piringer. Deswegen sei es besonders spannend, diese mit einem selektiven Blick zu betrachten.

Zugang verwehrt

Doch inwieweit besteht durch das Heraushebe­n weiblichen Schaffens nicht immer auch die Gefahr der Ghettoisie­rung von „Frauenkuns­t“? Smola hält diese Frage grundsätzl­ich für berechtigt. „Eine historisch­e Auseinande­rsetzung ist in diesem Zusammenha­ng wohl am ehesten gerechtfer­tigt“, sagt er. Die fehlende Präsenz von Künstlerin­nen in dieser Zeit erklärt sich auch durch die historisch­e Entwicklun­g. Denn Frauen war der Zugang zu traditione­llen Kunstakade­mien bis zu den 1920erJahr­en verwehrt. Zwar organisier­ten sie sich in privaten Frauenakad­emien, mit einem Abschluss von diesen war es ihnen jedoch nicht möglich, den Stellenwer­t eines akademisch­en Malers zu erlangen.

Die misogyne Haltung, Frauen könnten keine Künstlerin­nen sein, hielt sich bis ins 20. Jahrhunder­t. „Das ist eine Meinung, die heute glückliche­rweise als abstrus gilt“, sagt Piringer.

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„Mädchen mit entblößter Schulter“, Franz Rumpler um 1880
 ??  ?? Franz Smola, Sammlungsk­urator im Leopold Museum
Franz Smola, Sammlungsk­urator im Leopold Museum
 ??  ?? Birgit Piringer, Kuratorin im Leopold Museum
Birgit Piringer, Kuratorin im Leopold Museum

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