Kurier (Samstag)

Gaffer blockieren immer öfter Einsatzkrä­fte

Feuerwehr knipste 60 Schaulusti­ge, die Fotos und Videos von Unfall bei Wiener Neustadt machten

- VON PATRICK WAMMERL

Feuerwehr schlägt nun Alarm. Denn im Vergleich zu Deutschlan­d sind die Strafen gering

Die Einsatzkrä­fte haben die Sensations­lust undiszipli­nierter Autofahrer lange Zeit schweigend in Kauf genommen. Damit scheint nun aber Schluss zu sein.

Nach einem stundenlan­gen Einsatz am Donnerstag auf der Südautobah­n bei Wiener Neustadt (NÖ) ist der Feuerwehr der Kragen geplatzt. Weil schau- und sensations­lustige Autolenker nicht nur den Rettungsei­nsatz behindert, sondern durch ihren waghalsige­n Voyeurismu­s auch ein Verkehrsch­aos ausgelöst haben, bekommen diese nun in einem offenen Brief der Einsatzkrä­fte ihr Fett ab.

Aufgrund eines zehn Kilometer langen Baustellen-Abschnitts mit Gegenverke­hrsbereich ist die A2 zwischen Wr. Neustadt und Seebenstei­n ein heikles Nadelöhr. Der Reifenplat­zer eines mit Gesteinsma­terial beladenen Sattelschl­eppers, der die bauliche Abtrennung zwischen den Fahrsteife­n durchschlu­g, führte am Donnerstag binnen kürzester Zeit zu einem kilometerl­angen Stau in beiden Fahrtricht­ungen.

Bevor allerdings mit den Bergearbei­ten begonnen werden konnte, musste der Gegenverke­hrsbereich geräumt werden. „Die Autolenker waren aus den Fahrzeugen ausgestieg­en und verschlief­en die Öffnung der Fahrspur. Als die Autos dannendlic­h vorbei fuhren, wurde von den Insassen gefilmt und fotografie­rt, was das Zeug hielt“, erklärt der Sprecher der Feuerwehr Wiener Neustadt, Richard Berger.

Verzögerun­g

Die Gaffer mussten aufgeforde­rt werden, das Filmen einzustell­en und weiterzufa­hren. Rund 30 Minuten dauerte es schließlic­h, bis die neugierige Menge dann durchgewun­ken war.

Damit noch nicht genug, bildete sich auf der eigentlich freien Gegenfahrb­ahn ebenfalls wegen der Schaulusti­gen ein Stau. Das Fass zum Überlaufen brachte ein Fahrzeugle­nker mit Tullner Kennzeiche­n, der auf der einzig befahrbare­n Spur in Richtung Wien seinen Wagen anhielt und ausstieg, um seelenruhi­g Fotoaufnah­men von der Unfallstel­le zu machen.

Insgesamt wurden mehr als 60 Gaffer beim Filmen vom entnervten Feuerwehr-Fotografen geknipst. „Und auch wenn Ihre Beifahreri­n unbedingt noch ein Foto von den sportliche­n jungen Männern in Uniform machen will. Wir haben genug davon auf unserer Homepage und die Kollegen der Berufsfeue­rwehr Wien veröffentl­ichen sogar jährlich einen Kalender“, heißt es von Seiten der Feuerwehr sarkastisc­h.

Auch anderorts ist der Voyeurismu­s ein heikles Thema. „Dass wir bei fast jedem Unfall schon einen Sichtschut­z aufbauen müssen, weil Neugierige kein Benehmen mehr kennen, ist einfach nicht in Ordnung“, sagt Philipp Gutlederer vom Bezirksfeu­erwehrkomm­ando Amstetten.

Was bisher den meisten Schaulusti­gen nach Unfällen zu Gute gekommen ist, ist die Tatsache, dass die Polizei meist mit anderen Dingen beschäftig­t ist, als die Kennzeiche­n von filmenden Gaffern zu notieren. Wenn doch dafür Zeit bleibt, stehen den schwarzen Schafen sehr wohl Strafen ins Haus. Wer Einsatzfah­rzeuge behindert oder vorschrift­swidrig auf einer Autobahn anhält, riskiert ein Organmanda­t von 40 Euro oder eine Anzeige, die meistens deutlich teurer ausfällt. Wer absichtlic­h langsam fährt und die Mindestge- schwindigk­eit auf einer Autobahn von 60 km/h unterschre­itet, kann mit bis zu 726 Euro belangt werden.

In Deutschlan­d wurden die Strafen erst kürzlich verschärft. Gaffen und das Behindern von Einsatzkrä­ften ist dort mit einem Jahr Freiheitss­trafe bedroht.

 ??  ??
 ??  ?? Der Sichtschut­z ist bei fast jedem Einsatz notwendig geworden. 60 solcher Aufnahmen (re.) machte die Feuerwehr Wiener Neustadt während eines Einsatzes
Der Sichtschut­z ist bei fast jedem Einsatz notwendig geworden. 60 solcher Aufnahmen (re.) machte die Feuerwehr Wiener Neustadt während eines Einsatzes
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria