Kurzer Parteitag und langes Hochamt für Kurz
Lange hat er darauf hingearbeitet, heute wird er zum Obmann der „neuen Volkspartei“gewählt. Er bekommt weitreichende Vollmachten. Was ist neu an den Schwarzen, die jetzt auf Türkis setzen?
Als Kronprinz wurde er ja schon lange gehandelt, heute folgt die Krönung: Sebastian Kurz (30) wird beim heutigen Bundesparteitag in Linz zum 17. Bundesparteiobmann der ÖVP gewählt.
Diese wird bei der kommenden Wahl als „Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei“antreten. Nicht einmal die schwarze Parteifarbe bleibt. Kurz will Türkis.
Erste Messlatte wird Kurz’ Zustimmung bei den rund 1000 Delegierten sein. Vorgänger Reinhold Mitterlehner bekam beim Parteitag 2014 grandiose 99,1 Prozent. Das Kurz-Team nennt als eigentliche Messlatte die Wahl anno 2008 des letzten „echten“Parteireformers Josef Pröll – der erhielt 89,6 Prozent der Stimmen.
Der Parteitag soll, anders als üblich, auf HollywoodFilmlänge komprimiert werden. In rund 90 Minuten sollen a) die Rede und Wahl von Kurz, b) die Wahl seiner vier Stellvertreter und c) die Ab- segnung des neuen Parteistatuts vollzogen werden. Das Statut räumt Kurz freie Hand bei der Bundeswahlliste und für allfällige Koalitionsverhandlungen ein, als auch ein Vetorecht bei Landeswahllisten. Zweifellos eine erste Revolution der „neuen Volkspartei“.
Alt trifft auf neu
Aber was ist wirklich neu bei der „neuen Volkspartei“? „Bis jetzt noch nichts, bis Samstagnachmittag ist ja Reinhold Mitterlehner Obmann der ÖVP“, sagt Gerald Fleischmann, langjähriger Pressesprecher und Intimus von Kurz. Erst wenn Kurz zum Obmann gewählt worden ist und die neuen Statuten abgenickt sind, könne der neue Chef loslegen.
Inszenieren will man das mit dem Ende des Parteitags. Dann gehen alle Türen des Linzer Design Centers auf, die Delegierten und der neue Obmann schreiten zum Festgelände vor den Toren, wo die alte Partei mit 5000 neuen Gästen feiern wird. Eingeladen wurden alle Kurz-Sympathisanten, die sich beim „Team Kurz“in den vergangenen Wochen via Internet gemeldet haben. Die Symbolik von alt und neu ist der neuen ÖVP-Führung ganz wichtig.
Aber was ist überhaupt möglich, wie kann eine neue Volkspartei aussehen? Wofür steht die „alte“ÖVP? „Wesentliche Pole waren immer das Christlich-Soziale, das Konservative und das Liberale“, analysiert der Politologe Fritz Plasser, als ehemaliger ÖVP-Grundsatzdenker ein profunder Kenner der Partei. Gemeint ist damit die liberale Haltung der ÖVP bei der Wirtschafts- und Finanzpolitik (Deregulierung, Privatisierung, Flexibilisierung) und die konservative in gesellschaftlichen Fragen. Das dürfte so blei- ben, bei der am Donnerstag gescheiterten Abstimmung zur Homo-Ehe klatschen einige ÖVP-Abgeordnete demonstrativ.
Vorabsprache bei Liste?
Für Plasser gibt es dennoch deutliche Zeichen für eine Wandlung. Augenscheinlich sei die Öffnung der Wahllisten für Parteifreie. Oder dass mit Peter L. Eppinger ein politikferner Ex- Ö3- Moderator als Sprecher angeworben wurde. Plasser glaubt nicht, dass Kurz die ÖVP-Bünde – Bauernbund, Wirtschaftsbund, ÖAAB – infrage stellen werde. Offen ist, wie die mächtigen Landesparteien mit dem Fokus auf Kurz und sein Vetorecht bei der Listenerstellung rea-
gieren werden. Plasser glaubt, dass die Listen schon im Vorfeld mit Kurz akkordiert werden, er sieht also vorerst keine Gefahr von Dissens.
Aufhören werde sich, so Plasser, der Spaß nur, wenn Kurz versucht, den Ländern Macht oder Geld wegzunehmen: „Das wäre auch für Kurz eine sehr hohe Hürde.“
Dennoch: So eine Machtkonzentration auf nur eine Person, kann das gut gehen? „Die ÖVP hat gar keine andere Alternative, als sich zu öffnen und alles auf eine Karte zu setzen“, sagt Plasser, der Kurz als „außergewöhnliches politisches Talent“sieht. „Würde die ÖVP weitermachen wie bisher, wird sie unter die 20Prozent-Marke fallen.“