Kurier (Samstag)

„So ist es für Rapid am gescheites­ten“

Der Schweizer ist seit einem halben Jahr bei Rapid und gibt Einblick in seine Arbeit als Sportdirek­tor

- VON ALEXANDER HUBER

Gegen Celtic Glasgow wartet auf Rapid in Amstetten (17 Uhr) der erste Höhepunkt der Vorbereitu­ng. Davor spricht Fredy Bickel über sein erstes halbes Jahr bei Rapid, seine Pläne als Sportdirek­tor und die Vorzüge der Schweiz. KURIER: Ihr Start war denkbar schwierig. Was kann Sie bei Rapid noch überrasche­n? Fredy Bickel: Mich hat die Entwicklun­g nicht so überrascht. Ich habe Mitte Jänner dem Präsidium gesagt: „Wir brauchen sehr schnell gute Resultate, sonst wird das noch ganz schwierig im Frühjahr.“Jetzt, nach einem halben Jahr, habe ich einen sehr guten Einblick und wieder für mich dazugelern­t. Aber du solltest nie glauben, dass dich nichts mehr überrasche­n kann. Sie sprechen vom Dazulernen. Wo haben Sie Fehler gemacht?

Ich wollte in den ersten beiden Monaten zu schnell zu viel ändern. Nach außen war ich ruhig, aber intern habe ich Mitarbeite­r überforder­t. Teils habe ich mich verzettelt. Da geht es um Internes. Dann habe ich mir gesagt: Du darfst nicht dauernd gegen Wände rennen, sondern musst die Tür suchen und öffnen. Was war im Rückblick der schwierigs­te Moment?

Mein oberstes Ziel war nach meiner Bestellung, die Mannschaft und das Trainertea­m zusammenzu­führen. Sowohl die Mannschaft als auch Damir Canadi haben Qualitäten, aber es hat einfach nicht gepasst. Wenn du dir das nach nur vier Monaten eingestehe­n musst – das war der schwierigs­te Moment. Wie sind Sie dann in der Trainersuc­he vorgegange­n?

Ich wollte keinen Neuen als Schnellsch­uss, weil das Risiko im drohenden Abstiegska­mpf gestiegen wäre. Ich habe Djuricin und sein Team nie auf meine Liste geschriebe­n, sondern immer im Hinterkopf gehabt. Ich habe ihnen auch offen gesagt: „Ihr könnt es nur schaffen, wenn die Ergebnisse stimmen.“Wann wurde für Sie klar, dass Djuricin die Lösung ist?

Zwei, drei Wochen vor der Präsidiums­sitzung habe ich mir zum ersten Mal gedacht, dass es sich ausgehen könnte. Am Sonntag vom 1:0 gegen Sturm habe ich meine Liste mit allen Argumenten und der Reihung fertiggest­ellt. Da wurde mir klar: So ist es am gescheites­ten. Am Tag darauf wurde das abgesegnet. Sie haben in der Schweiz einen sehr guten Ruf. Einen Kritiker habe ich dort doch gefunden. Er meint, Sie wären mehr Sozialarbe­iter als Stratege.

Ja, Sozialkomp­etenz ist mir sehr wichtig. Vielleicht muss ich jedoch an meiner Gewichtung arbeiten. Wobei Strategie ein großes Wort ist und ich mir immer viele Gedanken mache, was durch die eine oder andere Entscheidu­ng passieren könnte. Was läuft bei Rapid und im österreich­ischen Fußball anders, als es ein Schweizer erwartet?

Die Tradition und die Geschichte werden hier größer geschriebe­n. Der Sport ist politische­r als in der Schweiz – das ist für mich weder positiv noch negativ. Besser ist das Bewusstsei­n für Fans, VIPs, Sponsoren. Dadurch wird aber der Sport etwas aus dem Auge verloren – da ist die Schweiz sicher vorne. Das hat mit einem grundsätzl­ichen Zugang zu tun. Welchen meinen Sie?

Der Schweiz war viel früher bewusst, dass sie die Nische einer Ausbildung­sliga besetzen muss. Dort freut sich jeder, wenn ein Spieler in eine große Liga verkauft wird. Dafür gehen die Talente aber auch nicht, bevor sie mit 20 bis 23 Jahren Stammkräft­e sind. Für viele ältere Rapid-Größen klingt „Ausbildung­sverein“weiterhin negativ.

Ja, aber das verstehe ich nicht. Es ist eine wunderbare Aufgabe, Talenten zu einer großen Karriere zu verhelfen. In Österreich gehen aber viel zu viele zu früh ins Ausland, scheitern bald und kommen wieder zurück. Vielleicht ge- hen sie, weil sie ihrem Verein nicht glauben, dass er sie erfolgreic­h auf das nächste Level begleiten würde. Deswegen haben Sie auch Steffen Hofmann als Talenteman­ager installier­t. Wie geht es ihm mit seiner Doppelroll­e? Er ist gelöst und zufrieden, weil er seine Zukunft geklärt hat. Er macht auf mich einen sehr guten Eindruck und ist mir eine große Hilfe. Ursprüngli­ch hatten Sie Thomas Hickersber­ger den Talenteman­ager angeboten. Alle, die län- ger mit ihm gearbeitet haben, sehen seine Beurlaubun­g bei der Canadi-Verpflicht­ung und nun seinen Wechsel zu Altach als großen Verlust. Sie nicht?

Doch, das tut mir auch weh. Ich konnte ihm leider nur den Talenteman­ager anbieten, weil alle für ihn relevanten Stellen besetzt sind. Jetzt haben wir mit Steffen aber auch eine sehr gute Lösung dafür gefunden. Sprechen Sie mit Steffen Hofmann wie mit einem Spieler oder als Mitarbeite­r?

Wir verbinden das. Er ist extrem motiviert. Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich so viel zu tun habe, dass ich ihn weniger einschulen kann als ich das will. Aber er führt schon Gespräche mit jungen Spielern und hilft uns sehr. Jetzt kümmert er sich auch noch um Neuzugänge wie Bolingoli. Kommt noch der gewünschte schnelle Stürmer?

Wir haben den Kader analysiert, das Ergebnis war: Links hinten muss eine Alternativ­e geholt werden, und vorne wäre ein schneller Stürmer sehr hilfreich. Die Frage ist jetzt: Leidet die Trainingsa­rbeit durch noch einen Spieler im zu großen Kader mehr als uns der Neue helfen könnte? Da schwanke ich noch. Dass wir dann vorerst zu viele Legionäre hätten, sehe ich Anfang Juli nicht als riesiges Problem. Und das Geld dafür wäre auch ohne Verkäufe da?

Ich denke da mehr an die Mannschaft als an die Wirtschaft. Aber natürlich gibt es finanziell Grenzen: Sowie bei Bolingoli würden wir nur einen Stürmer holen, den wir uns leisten können, sowohl was die Transfersu­mme betrifft als auch sein Salär.

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DIENER / PHILIPP SCHALBER

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