„Hitlerhaus“: Ex-Eigentümerin blitzt vor dem Verfassungsgericht ab
Richter begründen Entscheid mit dem öffentlichen Interesse. Pläne für Umgestaltung bis Jahresende fertig.
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat am Freitag einen Schlussstrich unter den jahrelangen Streit über die Nutzung von Hitlers Geburtshaus gezogen – zumindest vorerst. Das Höchstgericht bestätigte: Das Gesetz zur Enteignung der früheren Besitzerin Gerlinde P. ist nicht verfassungswidrig. Nur die Republik könne die „volle Verfügungsgewalt“über die Liegenschaft sicherstellen. Die Enteignung per Gesetz war demnach im öffentlichen Interesse, verhältnismäßig und nicht entschädigungslos, somit rechtskonform.
Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) fasste das Urteil „sehr positiv“auf, hieß es in einer Aussendung. „Es war mir mit Übernahme des Innenministeriums ein Anliegen, hier Klarheit zu schaffen, um einen verantwortungsvollen Umgang mit unserer Geschichte zu ermöglichen“, sagte Sobotka.
Er hatte in der Vergangenheit mehrmals im Alleingang und auch gegen die Einschätzung der eigens vom Ministerium eingesetzten Historikerkommission einen Abriss des Gebäudes propagiert. Die Kommission legte sich aber auf eine „tiefgreifende architektonische Umgestaltung“fest. Sobotka wolle nun eine „verantwortungsvolle und nachhaltige Nutzung“ermöglichen. Dazu solle es eine Abstimmung mit dem oberösterreichischen Landeshauptmann und dem Braunauer Bürgermeister geben.
„Wir kämpfen weiter“
Gerard Lebitsch, Anwalt von Gerlinde P., kündigt unterdessen an, dass für ihn mit dem VfGH-Entscheid noch nicht das letzte Wort in der Causa gesprochen ist. Er überlege noch, eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg einzubringen. „Wir werden weiterkämpfen“, sagt er.
Seine Mandantin sei von der Entscheidung wenig überrascht gewesen. „Sie hat’s gefasst aufgenommen.“Dennoch kritisiert Lebitsch die Entscheidung der Verfassungsrichter: „Der VfGH hat sich von seiner bisherigen Rechtssprechung weit entfernt“, meint der Anwalt, der von „blanker Staatsräson“(wenn der Staat die Verletzung der Rechte des Einzelnen in Kauf nimmt, sofern dies für das Staatswohl als notwendig erachtet wird, Anm.) sprach.
Das Innenministerium hat es nun eilig. „Man will da wirklich keine Zeit verlieren“, sagt Sprecher Alexander Marakovits. Anfang Juli ist eine Sitzung mit der Bundesimmobiliengesellschaft zum Architektenwettbewerb geplant, der europaweit ausgeschrieben wird. Eine Jury solle bis Ende des Jahres ein Siegerprojekt küren, sagt Marakovits. Bis wann das neue Gebäude bezugsfertig sein soll, darauf will sich das Ministerium aber nicht festlegen.
Zur Höhe der Entschädigung für Gerlinde P. findet am 26. Juli eine Verhandlung im Ministerium statt. Ein Gutachten schlägt etwas mehr als 300.000 Euro vor. P.s Anwalt hatte die Bewertung zuletzt als „eher traurig“bezeichnet.
„Der VfGH hat sich von seiner bisherigen Rechtssprechung weit entfernt. Das ist blanke Staatsräson.“Gerhard Lebitsch Anwalt der Ex-Besitzerin