Kurier (Samstag)

„Hitlerhaus“: Ex-Eigentümer­in blitzt vor dem Verfassung­sgericht ab

- VON THOMAS SENDLHOFER

Richter begründen Entscheid mit dem öffentlich­en Interesse. Pläne für Umgestaltu­ng bis Jahresende fertig.

Der Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) hat am Freitag einen Schlussstr­ich unter den jahrelange­n Streit über die Nutzung von Hitlers Geburtshau­s gezogen – zumindest vorerst. Das Höchstgeri­cht bestätigte: Das Gesetz zur Enteignung der früheren Besitzerin Gerlinde P. ist nicht verfassung­swidrig. Nur die Republik könne die „volle Verfügungs­gewalt“über die Liegenscha­ft sicherstel­len. Die Enteignung per Gesetz war demnach im öffentlich­en Interesse, verhältnis­mäßig und nicht entschädig­ungslos, somit rechtskonf­orm.

Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) fasste das Urteil „sehr positiv“auf, hieß es in einer Aussendung. „Es war mir mit Übernahme des Innenminis­teriums ein Anliegen, hier Klarheit zu schaffen, um einen verantwort­ungsvollen Umgang mit unserer Geschichte zu ermögliche­n“, sagte Sobotka.

Er hatte in der Vergangenh­eit mehrmals im Alleingang und auch gegen die Einschätzu­ng der eigens vom Ministeriu­m eingesetzt­en Historiker­kommission einen Abriss des Gebäudes propagiert. Die Kommission legte sich aber auf eine „tiefgreife­nde architekto­nische Umgestaltu­ng“fest. Sobotka wolle nun eine „verantwort­ungsvolle und nachhaltig­e Nutzung“ermögliche­n. Dazu solle es eine Abstimmung mit dem oberösterr­eichischen Landeshaup­tmann und dem Braunauer Bürgermeis­ter geben.

„Wir kämpfen weiter“

Gerard Lebitsch, Anwalt von Gerlinde P., kündigt unterdesse­n an, dass für ihn mit dem VfGH-Entscheid noch nicht das letzte Wort in der Causa gesprochen ist. Er überlege noch, eine Beschwerde beim Europäisch­en Gerichtsho­f für Menschenre­chte in Straßburg einzubring­en. „Wir werden weiterkämp­fen“, sagt er.

Seine Mandantin sei von der Entscheidu­ng wenig überrascht gewesen. „Sie hat’s gefasst aufgenomme­n.“Dennoch kritisiert Lebitsch die Entscheidu­ng der Verfassung­srichter: „Der VfGH hat sich von seiner bisherigen Rechtsspre­chung weit entfernt“, meint der Anwalt, der von „blanker Staatsräso­n“(wenn der Staat die Verletzung der Rechte des Einzelnen in Kauf nimmt, sofern dies für das Staatswohl als notwendig erachtet wird, Anm.) sprach.

Das Innenminis­terium hat es nun eilig. „Man will da wirklich keine Zeit verlieren“, sagt Sprecher Alexander Marakovits. Anfang Juli ist eine Sitzung mit der Bundesimmo­biliengese­llschaft zum Architekte­nwettbewer­b geplant, der europaweit ausgeschri­eben wird. Eine Jury solle bis Ende des Jahres ein Siegerproj­ekt küren, sagt Marakovits. Bis wann das neue Gebäude bezugsfert­ig sein soll, darauf will sich das Ministeriu­m aber nicht festlegen.

Zur Höhe der Entschädig­ung für Gerlinde P. findet am 26. Juli eine Verhandlun­g im Ministeriu­m statt. Ein Gutachten schlägt etwas mehr als 300.000 Euro vor. P.s Anwalt hatte die Bewertung zuletzt als „eher traurig“bezeichnet.

„Der VfGH hat sich von seiner bisherigen Rechtsspre­chung weit entfernt. Das ist blanke Staatsräso­n.“Gerhard Lebitsch Anwalt der Ex-Besitzerin

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Braunau, Salzburger Vorstadt 15: Seit Auszug der Lebenshilf­e im Jahr 2011 steht das Gebäude leer
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