Kurier (Samstag)

Deutsch lernen – das ist einmal der Anfang

Kindergärt­en, in denen niemand Deutsch spricht, sind zu schließen, egal welche Religion dort gelehrt wird.

- HELMUT BRANDSTÄTT­ER

Neulich der Anruf eines Lesers: Erdoğan soll ruhig in Wien auftreten dürfen, wenn er dabei Deutsch spricht. Der Leser betonte, dass er das gar nicht hinterhält­ig meine, aber in unserem Land sei nun einmal Deutsch die Sprache, die jeder versteht oder zumindest verstehen sollte. Aber in der Politik geht es oft um Symbole, bei einem letztlich unsicheren Autokraten wie Erdoğan erst recht. Für den türkischen Präsidente­n ist seine Mutterspra­che die Grundlage für das großtürkis­che Reich, von dem er träumt. Noch ein Grund, ihm jede Propaganda­show zu untersagen.

Verbohrte Nationalis­ten orientiere­n sich ebenso wie religiöse Fanatiker nicht am Wohlergehe­n von Menschen, sondern an Wahnideen von der angebliche­n Überlegenh­eit von Völkern oder einer Glaubensri­chtung. Individuen und deren persönlich­es Streben nach Glück haben bei diesen Ideologien keinen Platz. Da ist es nur konsequent, wenn türkische oder arabische Betreiber von Kindergärt­en in Wien die deutsche Sprache verweigern. Wer gut Deutsch kann, wird sich integriere­n, den Vorteil einer freien Gesellscha­ft erkennen und folglich nicht so leicht einem irrational­en Gruppendru­ck erliegen. Umgekehrt: Wenn wir als aufgeklärt­e Gesellscha­ft, die dem Einzelnen größtmögli­che Chancen geben will, überleben wollen, müssen wir die gemeinsame Sprache als Grundlage des Zusammenle­bens erzwingen. Und wo, wenn nicht dort, wo die Sprache am leichteste­n erlernt wird, nämlich im Kleinkinda­lter. Klar ist, dass da auch die Mutterspra­che gelehrt werden soll.

Bei Erdoğan kommt zum unbändigen Nationalis­mus ein gefährlich­er Islamismus. Dieses explosive Gemisch exportiert er über die Auslandsbü­ros seiner Partei und gewisse Kulturvere­ine. Dass ausgerechn­et diese Kindergärt­en betreiben dürfen, ist verrückt. Schluss damit.

Integratio­n muss erleichter­t werden

Leider ist in Österreich schon in normalen Zeiten eine ruhige Diskussion über Ausländer und Zuwanderun­g schwierig, jetzt, im Wahlkampf, geht es ohnehin nur noch um billigen Applaus. Umso mehr sei eine differenzi­erte Sichtweise versucht: Das ist kein Plädoyer gegen Zuwanderer. Wer mit Mitarbeite­rn des AMS oder der Caritas spricht, hört von vielen Flüchtling­en aus muslimisch­en Ländern, die schnell Deutsch lernen wollen, eine Ausbildung anstreben und jede Chance zur Integratio­n nutzen. Viele meiden sogar Landsleute, damit sie gezwungen sind, Deutsch zu sprechen. Ob sie privat religiös sind oder nicht, kann uns völlig gleichgült­ig sein, sie sollen in Österreich nach ihrer Fasson glücklich werden.

Was aber nicht mehr geduldet werden darf, ist die Begründung von Gegengesel­lschaften schon im Kleinkinda­lter. Dazu braucht es offene, pädagogisc­h wertvolle Angebote. Ein Besuch im KURIER-Lernhaus, das mit dem Roten Kreuz betrieben wird, zeigt, wie Kinder aus der ganzen Welt ohne Vorurteile miteinande­r lernen. Dass es dafür von der Stadt Wien keine öffentlich­e Förderung gibt, passt irgendwie auch ins Bild.

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