Kurier (Samstag)

Easyjet fliegt nach Brexit auf Wien

Der Billigflie­ger sucht in Österreich um eine Fluglizenz an – das könnte Signalwirk­ung haben

- VON SIMONE HOEPKE

Das Rennen um Firmen aus Großbritan­nien, die wegen des Brexits einen Standort in der EU suchen, ist eröffnet. Je bedeutende­r die Organisati­on, desto mehr Lobbyisten geben sich bei den Entscheidu­ngsträgern die Klinke in die Hand. Am Freitag konnte Österreich einen ersten Sieg verbuchen. Der britische Billigf lieger Easyjet will in Wien landen.

Das hat er bisher auch schon gemacht – nicht nur in der Bundeshaup­tstadt, sondern auch in Innsbruck, Salzburg und Klagenfurt. Aber jetzt plant die Billigairl­ine in Wien ein neues Headquarte­r für EU-Länder und sucht um eine österreich­ische Fluglizenz an. Hintergrun­d ist der drohende Verlust von Flugrechte­n in der EU, wenn Easyjets Heimatland dieser nicht mehr angehört.

Für Wien als Headquarte­r für das Europa-Geschäft haben mehrere Fakten gesprochen, erläutert Thomas Haagensen, Easy-Jet-Chef in Österreich, Deutschlan­d und der Schweiz. Etwa die gute Zusammenar­beit mit der Luftfahrtb­ehörde Austro Control und dass diese Erfahrung mit großen Airlines hat, sagt er im KURIER-Gespräch. Wieviele Jobs in Wien geschaffen werden, könne er noch nicht sagen. Dafür sei der Prozess noch zu wenig weit fortgeschr­itten.

100 Maschinen

Schon jetzt hat Easyjet 100 Maschinen und 4000 Mitarbeite­r mit lokalen Arbeitsver­trägen an seinen Europabase­n in Italien, Spanien, Deutschlan­d, Frankreich und den Niederland­en stationier­t. Dass diese nach Wien übersiedel­n, steht nicht auf dem Plan. In Wien ist derzeit lediglich ein Verwaltung­sbü- ro geplant, das die Koordinier­ung der Maschinen und Mitarbeite­r übernimmt. Die Firmenzent­rale in London bleibt, das zweite Standbein in Zürich (25 Maschinen, 950 Mitarbeite­rn) ebenso.

Wilfried Gunka von der Betriebsan­siedelungs­agentur ABA hofft, dass die Easyjet-Entscheidu­ng Signalwirk­ung auf andere Entscheidu­ngsträger haben wird. „Es denken ja viele Firmen in Großbritan­nien über einen neuen Standort in einem EULand nach. Nicht bei allen ist das auch der Öffentlich­keit bekannt“, sagt Gunka. Er denkt, dass Easyjet neuen Schwung nach Wien bringen kann – auch bei Geschäftsr­eisenden und Touristen.

In Österreich zählte die Airline zuletzt als Wachstumst­reiber. Haagensen: „2016 hatten wir in Österreich ein Plus von 60 Prozent.“Für Wien hat aus seiner Sicht aber wohl die Tatsache gesprochen, dass sich die Passagierz­ahlen gut entwickeln und es Potenzial für die Erschließu­ngneuer Strecken gibt. Am Flughafen Wien war Easyjet im ersten Halbjahr 2017 für 3,6 Prozent des Passagiera­ufkommens verantwort­lich.

Die Wiener Stadtregie­rung ist nach dem Brexit-Votumin Großbritan­nien jedenfalls nicht untätig geblieben. Sie hat mit Gerhard Hirczi, dem Geschäftsf­ührer der Wirtschaft­sagentur Wien, einen eigenen Koordinato­r für Ansiedlung­en in Wien nach dem Brexit. Derzeit bemüht sich Wien etwa um die Ansiedlung der European Medicines Agency (EMA) und der European Banking Authority (EBA). Eine Entscheidu­ng wir voraussich­tlich am 17. Oktober fallen.

Wie die Flugrechte nach dem Brexit genau aussehen werden, muss auch erst geklärt werden. Derzeit ist es so, dass alle 28 EU-Staaten automatisc­h Mitglied im Flugpakt ECAA (European Common Aviation Area) sind. Mit dem Ausstieg aus der EU fallen die Briten aber auch aus diesem Abkommen und müssen so um ihre Flugrechte innerhalb der EU-Staaten bangen. Sie könnten – wie zuvor auch die Norweger – um die Wiederaufn­ahme in den Club ansuchen. Allerdings müssten die Briten dafür weiter Urteile des Europäisch­en Gerichtsho­fes anerkennen, was Premiermin­isterin Theresa May eigentlich verhindern möchte.

5 Millionen Startgeld

Easyjet wurde übrigens nicht von einem Briten, sondern vom Sohn einer griechisch-zypriotisc­hen Reedereidy­nastie gegründet. Stelios Haji-Ioannou bekam von seinen Eltern fünf Millionen Pfund, um sein Airline-Projekt zu starten. Das war im Jahr 1995, heute zählt die Airline jährlich 78 Millionen Passagiere.

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Grafik: APA, CT / Quelle: APA / Foto: EPA (Bernd Settnik)

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