„Ohne WLAN kein Leben“am Land
Landwirtschaftsminister Rupprechter und Cisco-Chef Kaspar über die digitale Gemeinde
Mehr als 3000 Teilnehmer haben sich bisher an dem von Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) initiierten Masterplan für den ländlichen Raum beteiligt. Ziel der Initiative, die im September ein detailliertes Programm präsentieren will, ist es, Maßnahmen für die Zukunft des ländlichen Raums zu entwickeln. Eine zentrale Rolle wird dabei der Digitalisierung zugeschrieben. Der KURIER hat mit Rupprechter und dem Digitalexperten Achim Kaspar, der auch die österreichische Niederlassung des US-Netzwerkausrüsters Cisco leitet, über Breitbandausbau, digitale Gemeinden und vernetzte Senioren gesprochen. KURIER: In Ihrem Masterplan für den ländlichen Raum, ist die Digitalisierung zentral. Sie soll helfen, Standortnachteile zwischen Stadt und Land auszugleichen. Wie soll das funktionieren? Andrä Rupprechter: Es ist essenziell, dass wir in den Dörfern draußen die gleichen Voraussetzungen schaffen, wie es sie auch im städtischen Bereich gibt. Bei der digitalen Infrastruktur gibt es gerade im ländlichen Bereich Defizite. Deshalb müssen wir rasch die Versorgung sicherstellen und mit der Breitbandmilliarde die Netze ausbauen, insbesondere Glasfaser, aber auch das Mobilfunknetz. Mit der Breitbandmilliarde allein wird das nicht zu schaffen sein. Woher sollen die Mittel kommen? Rupprechter: Jede künftige Regierung muss das als Schwerpunkt sehen. Es wird wichtig sein, diese Bestrebungen zu forcieren. Wir müssen Vorreiter bei der nächsten Mobilfunkgeneration 5G werden. Dadurch können laut Studien mindestens 30.000 Jobs, gerade auch im ländlichen Raum, geschaffen werden. Achim Kaspar: Die Job-Thematik hat viel mit der Abwanderung zu tun. Wir müssen es schaffen, mit der Vernetzung die Standortnachteile in Vorteile umzuwandeln. Wenn Sie sich ansehen, wie die Jungen heute kommunizieren, brauchen wir Technik. Ohne WLAN kein Leben. Reicht die Digitalisierung als Anreiz, um die Landflucht zu stoppen? Rupprechter: Wir haben das Phänomen, dass die Landf lucht sehr stark weiblich ist. Für viele gut ausgebildete Frauen ist es nicht attraktiv aufs Land zurückzukehren. Wir müssen auch die Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie im ländlichen Raum unterstützen. Kaspar: Wir müssen auch Ausbildungsmöglichkeiten in der digitalen Gemeinde schaffen, damit die jungen Leute gar nicht erst abwandern. Mit den digitalen Tech- nologien ist es auch möglich neue wirtschaftliche Modelle zu schaffen, von der Vermarktung bis hin zur Spezialisierungimlandwirtschaftlichen Bereich. Durch die Digitalisierung werden nicht nur Jobs geschaffen. Viele gehen auch verloren. Wenn ich im Videochat mit meinem Bankbetreuer sprechen kann, wird der in Wien und nicht im Waldviertel sitzen. Kaspar: Die Digitalisierung passiert und der Kostendruck ist da. Die Technologie macht es aber möglich, eine Grundstruktur aufrechtzuerhalten. Es sitzen dann vielleicht nicht mehr zehn, sondern nur mehr zwei Leute in der Bankfiliale. Besteht die Gefahr, dass die Infrastruktur weiter ausgedünnt wird? Kaspar: Alles was passieren kann, wird passieren. Unternehmen werden Kosten einsparen und es wird auch selbstfahrende Traktoren geben. Gewisse Jobs werden wegfallen. Technologie kann aber auch zur Schaffung neuer Jobs genutzt werden. Zum Beispiel? Kaspar: Technologie ist heute Bestandteil jedes Berufsbildes. Es gibt auch Telearbeitsplätze. Geografie ist heute kein Faktum mehr. Auf diese neuen Formen von Arbeitsplätzen sollten wir zielen. Wir könnten uns etwa das Pendeln ersparen, weil wir ausgestattete Büroflächen von Firmen oder der Gemeinde zur Verfügung gestellt bekommen. Abwanderung hängt auch damit zusammen, dass der Greißler zusperrt und die Gesundheitsversorgung nicht mehr gegeben ist. Stirbt der Greißler nicht erst recht, wenn alles digitalisiert ist und die Leute bei Amazon bestellen? Kaspar: Sie können auch bei einer regionalen Plattform für Direktvermarkter bestellen, wo sie Lebensmittel aus der Region bekommen. Ist die Akzeptanz für die Digitalisierung bei älteren Bevölkerungsschichten gegeben? Rupprechter: Die Senioren sind heute sehr viel digitaler unterwegs als man glaubt. Die Zeit der Pension ist heute eine sehr aktive Lebensphase. Die digitale Anbindung schafft auch ein soziales Netzwerk. Wie steht es mit den Bürgermeistern? Rupprechter: DasEngagement der Bürgermeister ist ganz stark da. Wir haben in dem Bürgerbeteiligungsprozess im Rahmen des Masterplans Veranstaltungen in jedem Bundesland gemacht und haben über 3000 Ideen hereinbekommen. Wie muss sich die Verwaltung ändern? Rupprechter: Sie muss dezen- traler werden. 95 Prozent der Dienststellen sind in Wien. Unser Ziel ist es, uns dezentral auszurichten. Das Bundesamt für Bergbaufragen muss nicht unbedingt in der Marxergasse in Wien sitzen. Wir sehen, dass durch solche Auslagerungen Kompetenzzentren entstehen, um die herum viel entsteht. Das beste Beispiel ist Irdning. Dort haben sich um das naturwissenschaftliche Forschungszentrum viele private Spin-offs entwickelt. Ist es möglich, den Start-up-Hype, den es derzeit sehr zentral in Wien gibt, auf ländliche Regionen zu übertragen? Rupprechter: Absolut. Das ist das Ziel, dass wir solche Startups, etwa im Bereich Umwelttechnologie, gezielt fördern, gerade in den Regionen und um die Kompetenzzentren herum. Wir werden dazu auch gezielt leer stehende Gebäude für die Start-up-Szene anbieten.