Kurier (Samstag)

Trendwende bei Mehrlingen

Seit 1970 steigt der Anteil an Zwillingen und Drillingen, zuletzt ging er leicht zurück

- VON JULIA PFLIGL

Hollywood und Umgebung schwelgt dieser Tage im Zwillingsg­lück: Soeben präsentier­te Pop-Ikone Beyoncé das erste Foto ihrer Sprössling­e (siehe S. 28), die Clooneys wagten eine erste Ausfahrt mit dem Doppelkind­erwagen und Fußballsta­r Cristiano Ronaldo knuddelte im Netz seine neugeboren­en Zwillingsb­abys Eva und Mateo, die von einer Leihmutter ausgetrage­n worden waren.

Alles Zufall – oder nimmt die Anzahl der sogenannte­n Mehrlingsg­eburten tatsächlic­h zu? Langfristi­g ja, bestätigen jetzt aktuelle Daten der Statistik Austria (siehe Grafik). Während vor 30 Jahren nur 1,8 Prozent der Babys als Zwillinge, Drillinge usw. geboren wurden, waren es im vergangene­n Jahr 3,1 Prozent. Seit 2011 zeichnet sich gleichzeit­ig ein leichter Rückgang ab: Damals erreichte der Mehrlingsa­nteil mit 3,6 Prozent seinen Höhepunkt, seither sinkt er leicht.

Strengere Richtlinie­n

Dass die absolute Zahl der Mehrlingsg­eburten dennoch gestiegen ist, liegt laut Fruchtbark­eitsmedizi­ner Andreas Obruca an der allgemein höheren Geburtenra­te (zuletzt kamen in Österreich vor 20 Jahren so viele Kinder zur Welt wie 2016).

Der leichte prozentuel­le Rückgang der Mehrlingsg­eburten dürfte an den strengeren Richtlinie­n für die In-vitro-Fertilisat­ion (IVF) liegen, die häufig für eine wachsende Zahl an Zwillingen verantwort­lich gemacht wird: Laut Gesetz dürfen nur so viele Eizellen außerhalb des Körpers befruchtet werden, wie nach dem Stand der Medizin und Erfahrung unbedingt notwendig sind, um eine Schwangers­chaft herbeizufü­hren. „Im Jahr 2016 wurden durchschni­ttlich 1,3 Embryonen transferie­rt“, erläutert Obruca, der das Kinderwuns­chzentrum Goldenes Kreuz leitet. Im Schnitt ist jedes zehnte Baby, das durch künstliche Befruchtun­g entsteht, ein Zwilling. In den allermeist­en Fällen (88 Prozent) handelt es sich um Einlingsge­burten. „Die Mehrlingsr­ate nach IVF-Behandlung ist weiter gesunken“, so Obruca.

Regionale Unterschie­de

„Die Reduktion einer höhergradi­gen Mehrlingsr­ate – Drillinge, Vierlinge etc. – ist unbestritt­en ein ganz wichtiges Ziel der Fertilität­smedizin“, betont Obruca. „Eine niedrige Zwillingsr­ate ist sicher auch anzustrebe­n. Dennoch darf man nicht verges- sen, dass Kinderwuns­chpaare manchmal eine Zwillingss­chwangersc­haft anstreben. Für ältere Paare – das Durchschni­ttsalter bei uns liegt bereits bei 38 Jahren – ist das oft die einzige Möglichkei­t, ihren Wunsch nach zwei Kindern zu erfüllen.“

Stabil bleibt in Österreich die Zahl der Kaiserschn­itte: Seit 2014 kommen knapp 30 Prozent aller Babys per Kaiserschn­itt zur Welt (zum Vergleich: 1995 lag diese Rate noch bei 12,4 Prozent). Nicht überall werden gleich viele Kaiserschn­itte durchgefüh­rt – in Süd- und Ostösterre­ich sind es deutlich mehr als im Westen.

Die Ursache für die starken regionalen Unterschie­de führt Obruca auf „unterschie­dliche geburtshil­fliche Schulen“zurück, die sich während der vergangene­n 20 Jahre gebildet hätten: „Patientens­icherheit, Angst vor Klagen, ‚Wunschsect­io‘ – alles Faktoren, die das beeinfluss­en.“Der Mediziner gibt zu bedenken: „Ein Sicherheit­sdenken ist auch bei den Geburtshel­fern sicher nicht von der Hand zu weisen. Schließlic­h hat jede Geburt per se ein gewisses Restrisiko.“

 ??  ??
 ??  ?? Auch die Clooneys wurden heuer Eltern von Zwillingsb­abys
Auch die Clooneys wurden heuer Eltern von Zwillingsb­abys

Newspapers in German

Newspapers from Austria