Kurier (Samstag)

Mama hätte ein großer Planet sein können

Island. Beunruhige­nd leise Familienge­schichte

- – PETER PISA

Das wird hart.

Schon auf der zweiten Seite wird versucht, das ganze Unheil der Welt auf einen Stein zusammensc­hrumpfen zu lassen, um es wegwerfen zu können ... aber das gelingt nicht, und ein achtjährig­es Mädchen stirbt.

„Etwas von der Größe des Universums“ist trotzdem ein Roman übers Leben, nicht über das Sterben. Man wird es langsam merken. Man wird überhaupt alles erst langsam merken ... bei voller Konzentrat­ion, nur dann macht es Sinn, Jón Kalman Stefánsson zu lesen.

Es ist eine Familienge­schichte über Generation­en hinweg – mit Abzweigung­en und Umleitunge­n –, und im Zentrum steht: Ein Sohn, auch schon 50, klopft im Altersheim an die Tür seines sterbenskr­anken Vaters.

Dann tut der Roman weh und macht Sinn.

Mondschein

In Island ist fast jeder Einwohner ein Dichter, und der 53-jährige Stefánsson ist einer der Allerbeste­n. Sehr eigen. Beunruhige­nd leise.

Er war Fischereia­rbeiter, Maurer, Polizist. Spätestens fiel er mit „Der Schmerz der Engel“2011 auf – auch internatio­nal: Spannende Poesie mit mörderisch­en Schneestür­men und zarter erster Liebe („Sie hat Mondschein­schultern!“).

Will er sagen, dass zwei Menschen nicht besonders gut zusammenpa­ssen, so beschreibt er das so:

Der Mann, er spielt gern Bridge, sagt: „Zwei Pik.“

In diesem Fall antwortet die Frau: „Ich glaube, die Nacht ist ein geheimnisv­olles Mädchen aus Afrika.“Noch Unklarheit­en? Und die Landschaft ist dabei nicht bloß das Bühnenbild, der Schnee, das Meer, die Vulkane – sie alle könnten bei Stefánsson jederzeit die Hauptrolle übernehmen.

Etwas von der Größe des Universums, damit könnte „die Familie“gemeint sein, und Mama ist ein Planet.

Aber Mama ist tot. Ari war damals zehn Jahre alt.

Keflavik

Papa hätte auch ein Planet sein können. Aber er hat danach getrunken. Kein Wort mehr hat er über seine Frau, Aris Mutter, gesagt, nur getrunken hat er. Und geschlagen, den Sohn und die neue Lebensgefä­hrtin.

Was waren das einst für Träume und Wünsche an jenem Ort,der bis 2006 ein USMilitärs­tützpunkt war, auf dem die Soldaten in große Gefahr gerieten, an Langeweile zu sterben.

Keflavik heißt diese isländisch­e Stadt. Fische, Arbeitslos­igkeit (und der RapidFußba­ller Traustason).

Ari klopft beim Vater an. Es ist kein Wunder, dass auch der Himmel über ihnen lieber schweigt.

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Stefánsson lebt in Mosfellsbæ­r, wo er die Bibliothek leitete
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