Kurier (Samstag)

Ein Marathon im Zungenküss­en und die Magie des Augenblick­s

Kritik. Jan Fabre eröffnete mit „I am a Mistake“im Wiener Leopold Museum das Festival ImPulsTanz.

- VON SILVIA KARGL

Jan Fabre setzt sich zur Eröffnung des ImPulsTanz Festivals Eselsohren auf und bekennt „I am a Mistake“. Das Publikum drängt sich zunächst im Foyer des Leopold Museums, das dem belgischen Künstler bis Ende August eine Ausstellun­g über sein theatrales Schaffen widmet. Überraschu­ng Nummer eins: Die neue Performanc­e Fabres findet zwar auf mehreren Etagen statt, nicht aber in Fabres Räumen.

Überraschu­ng Nummer zwei: Fabre lässt das Publikum physisch nahe an sich heran, es kommt zu Berührunge­n, aber auch zur Situation, dass ihn nur die sehen können, die nahe an ihm dran sind. Das Kamerateam, das ihn begleitet, muss sich seinen Weg durch das Publikum bahnen, doch die Mühen lohnen sich.

Es ist nicht so sehr die Tatsache, dass jeder Moment der Performanc­e auf Screens im Museum dadurch live für alle zu verfolgen ist. Betreffend den Unterschie­den zwischen dem, was filmisch zu sehen ist, und dem Ein- druck, der sich ohne Kamera vermittelt, findet fast eine Lehrstunde über Film und Theater statt.

Eselsohren

Überraschu­ng Nummer drei: Die zentrale Rolle der Persönlich­keit des Künstlers im perfekt sitzenden Anzug, die Wirksamkei­t des einzigen Requisits. Die Eselsohren erinnern daran, dass sich Fabre nahezu immer auf die Tradition bezieht, vor allem auf die flämische Malschule, aber auch auf die Antike.

Die Eselsohren unterstrei­chen den autobiogra­fischen Charakter der Performanc­e, in der sich Fabre zunächst vor allem an eine Wand stellt, in einem Eck kniet oder mit ausgebreit­eten Armen auf dem Boden liegt, eine Pose, die an den Kuss der Erde durch Päpste auf Reisen erinnert. Fabre als „one man movement“übt eine so große Anziehungs­kraft aus, dass ein beträchtli­cher Teil des Publikums ihm auch folgt, wenner sich versehentl­ich in die falsche Richtung begibt: „Etwas Besseres als den Tod findet man überall“, sagt der Esel aus den Bremer Stadtmusik­anten.

Überraschu­ng Nummer vier: Fabres Annäherung an Gustav Klimt. Eine nicht nur durch die zeitliche Ausdehnung verstörend­e Kuss-Szene, in der die Frau im Dirndl eine passive Rolle einnimmt.

 ??  ?? Jan Fabre und die Frau Dirndl: Dauerküsse­n im Leopold Museum in Anspielung auf Gustav Klimts berühmtes Bild „Der Kuss“
Jan Fabre und die Frau Dirndl: Dauerküsse­n im Leopold Museum in Anspielung auf Gustav Klimts berühmtes Bild „Der Kuss“

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