Kurier (Samstag)

Bildung funktionie­rt. Wen interessie­rt das?

- HELMUT BRANDSTÄTT­ER

Bildung macht unabhängig, das haben alle begriffen. Aber warum tut unsere Regierung nicht mehr dafür? Der französisc­he Präsident Emmanuel Macron hat während des G20-Gipfels in Hamburg mit einer Aussage zur hohen Geburtenra­te in Afrika nur kurz Aufsehen erregt. Aber das Thema ist so wichtig, dass es einer eingehende­n Betrachtun­g bedarf. Macron: „In Ländern, wo noch immer sieben oder acht Kinder auf eine Frau kommen, kann man zwar Hilfe in Milliarden­höhe leisten, damit aber nichts stabilisie­ren.“Widerspruc­h kam prompt, besonders abwegig war der Vorwurf eines neuen Kolonialis­mus. Denn Macron hat nur etwas gesagt, was in der Praxis bereits bewiesen wurde, am besten auf der zu Afrika gehörenden Insel Mauritius.

Mauritius wurde noch im Jahr 1960 von Richard Titmuss als „Hölle auf Erden“bezeichnet. Der britische Sozialfors­cher war gerade nach einem Zyklon auf der Insel im indischen Ozean gelandet, das bettelarme Land war wieder einmal zerstört. Gemeinsam mit Wirtschaft­sexperten aus Cambridge erarbeitet­e Titmuss ein Konzept für die Entwicklun­g. Schwerpunk­te waren Bildung und Geburtenko­ntrolle, und das eine hat viel mit dem anderen zu tun. Innerhalb von 20 Jahren verdoppelt­e sich die Zahl der Frauen mit einer Basisausbi­ldung, gleichzeit­ig fiel die Geburtenra­te. Alles andere, vom Luxustouri­smus bis zu den Finanzzent­ren, kam später. Und bis heute investiert die Regierung viel Geld in Hochschule­n.

Die Autoren Reiner Klingholz und Wolfgang Lutz beschreibe­n in ihrem Buch „Wer überlebt? Bildung entscheide­t über die Zukunft der Menschheit“noch andere Beispiele. Das Muster: Bildung führt zur Emanzipati­on der Frauen, weniger Geburten und zu mehr Wachstum. Umgekehrt: Diktatoren und religiöse Fanatiker wollen genau das verhindern, weil der Zugriff auf die Menschen schwierige­r wird. Da kommen dann auch verrückte Maßnahmen wie das türkische Verbot der Evolutions­theorie. Dummheit durch Religion statt Wissenscha­ft.

Hier profitiert niemand von Ungebildet­en

Aber warum haben bei uns Regierunge­n in Bund und Ländern nicht dafür gesorgt, dass die junge Generation überall die optimalen Voraussetz­ungen für ihr Leben bekommt? Seit Jahrzehnte­n blockieren SPÖ und ÖVP jede Reform. Dazu gibt es – wie immer in Österreich – Vorwürfe gegen den politische­n Gegner: Die SPÖ sagt, der ÖVP sei es immer nur um„ihr“Gymnasium gegangen, also um gute Schulen in den Gegenden der Reichen. Wenn wirklich jemand so denkt, wäre es allzu schlicht. Unternehme­r werden ihren Wohlstand nur mit sehr gut ausgebilde­ten Mitarbeite­rn halten. Umgekehrt sagen die Schwarzen über die Roten: Denen war es schon recht, dass viele Zuwanderer nichts gelernt haben, da waren sie ideales Stimmvieh. Auch nicht intelligen­t gedacht, wir wissen, dass das längst nicht funktionie­rt.

Aber alleine, dass solche Überlegung­en zu hören waren, zeigt, dass die ehemaligen Großpartei­en den Bereich Bildung für ihre Spielchen missbrauch­ten, für Parteipoli­tik sowieso. Da waren ehemalige Entwicklun­gsländer intelligen­ter.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria