Sorge über „diktatorische Abwege“Polens wächst
Justizreform.
Einmischung in die Justiz anderer Länder ist unter Richtern eigentlich unüblich. Umso bemerkenswerter, dass sich jetzt sogar die höchsten Richter des Nachbarlandes Tschechien zur Lage in Polen zu Wort melden. „Wir können nicht schweigen“– so beginnt die von Verfassungsgericht, Oberstem Gericht und höchstem Verwaltungsgericht unterzeichnete Erklärung. Die Justizreform der nationalkonservativen PiS-Regierung sei ein „beispielloser Angriff auf die Unabhängigkeit des polnischen Gerichtswesens. Die Prinzipien des demokratischen Rechtsstaates sind in Gefahr“.
Ähnlich der deutsche Richterbund, der die Regierung in Warschau auf „diktatorischen Abwegen“sieht und fordert, dieser das Stimmrecht in EU-Gremien zu entziehen. Man erhalte Hilferufe polnischer Kollegen, die die Reformen als das „Ende des Rechtsstaates“bezeichneten und ein Eingreifen von deutscher Bundesregierung und EU forderten.
Auf Biegen und Brechen
Doch während die EU-Kommission Polen mit Sanktionen und Entzug von Geldern droht und in Polen selbst Abend für Abend Zehntausende Menschen in Städten von Warschau bis Breslau auf die Straße gehen, gibt sich die Regierung unbeein- druckt. Das Gesetz, das die Besetzung wichtigster juristischer Gremien in die Hände des Parlaments und des Justizministers gibt, wurde im Parlament am Donnerstag verabschiedet. Am Freitag sollte es durch den Senat durchgewunken werden.
Zuletzt muss noch Präsident Andrzej Duda seine Unterschrift unter die Justizreform setzen. Auch dieser Schritt gilt in Warschau als Formalakt. Zwar hat Duda in der Vorwoche Kritik an den Gesetzesvorlagen geübt und Änderungen gefordert. Doch dabei handelt es sich lediglich um Details, die am antidemokratischen Charakter der Reform wenig ändern. Jetzt, wo die PiS-Regierung diese Änderungen eingearbeitet hat, werde der Präsident der Reform nicht mehr im Weg stehen.
Abgekartetes Spiel
Die polnische Opposition hält Dudas Einspruch daher für scheinheilig. Der Präsident ist ein politischer Weggefährte von PiS-Vorsitzendem Jaroslaw Kaczynski, Polens heimlichem Machthaber. Er habe nur in der Öffentlichkeit seine Unabhängigkeit demonstrieren wollen. Jetzt werde er den Weg für die Reform freimachen, so die Oppositionspolitikerin Kamila Gasiuk-Pihowicz, „die Drohgebärden der EU scheren ihn nicht.“