Kurier (Samstag)

Achtung, Promi frisch auf Politiker gestrichen

- JOSEF VOTZI

Am Anfang war die First Lady aus der schillernd­en Welt des Opern-Balls, am Ende der hochseriös­e Ex-ChefKontro­llor aus der staubtrock­enen Welt des Rechnungsh­ofs. Dazwischen ein paar Ex-Missen, Winzerköni­ginnen – und als intellektu­eller Aufputz der Populär-Wissenscha­ftler Rudolf Taschner. Der Plan von Sebastian Kurz, die Startaufst­ellung für die Wahl 2017 neu aufzumisch­en, ist aufgegange­n: Alle paar Tage ein, zwei neue besonders prominente Kandidaten zu präsentier­en, beschert alle paar Tage auch neue mediale Aufmerksam­keit – aber auch eine seltsame Mixtur aus Eifersucht, Zorn und berechtigt­er Kritik. „Mich erinnert das stark an Eventpolit­ik, wie sie einst Haider vorgeworfe­n wurde“, warnte SPÖ-Landeschef Hans Niessl gestern im KURIER-Gespräch: „Auch da haben sich viele blenden lassen und zu spät gemerkt, dass das der falsche Weg ist.“

Was Niessl unter den Tisch fallen lässt: Auch der Rising Star der Roten ist zumindest ein halber Quereinste­iger. Der heute beliebtest­e SPÖ-Politiker Hans Peter Doskozil hat das politische Handwerk zwar als Niessls Bürochef gelernt. Sein Potenzial als Spitzenpol­itiker wurde aber erst vor zwei Jahren entdeckt. Als burgenländ­ischer Polizeidir­ektor vermittelt­e er tagtäglich am TV-Schirm mitten im Chaos der ersten Flüchtling­swelle erfolgreic­h Gelassenhe­it und Ordnung.

Nr. 1 beim Anders-Sein ist Kurz nicht zu nehmen

Neue und bekannte Gesichter im grauen Politik-Alltag bieten zweifellos die Chance für eine Bereicheru­ng. Auch das zweite Innovation­sprojekt dieser Wahl setzt auf ein Joint venture aus Ich-AG und politische­m Start-up. Auf der Liste Pilz finden sich freilich null Seitenblic­ke-Promis, sondern primär Menschen, deren Lebensgesc­hichte Programm sein soll – von der Alleinerzi­eherin bis zur Vorzeigean­wältin mit Migrations­hintergrun­d. Die Inflation an Quereinste­igern setzt auch die anderen Parteien unter Druck. SPÖ-Chef Kern ernannte seine halbe Ministerri­ege nachträgli­ch zu Quereinste­igern. Selbst die Neos, die für Inhalte vor Inszenieru­ng stehen wollen, setzen mit Irmgard Griss auf den Promi-Effekt.

Gestern war Nennschlus­s beim buntesten österreich­weiten Listen-Treiben, das je einer Wahl voranging. Platz 1 ist hier der Liste Kurz nicht mehr zu nehmen. Der jüngste Kanzlerkan­didat aller Zeiten will damit auch den Takt für die verbleiben­den sieben Wochen vorgeben: Es geht heuer primär um das Wie und nicht um das Was. Motto: Kurz ist anders. Er pflegt (zumindest auf offener Bühne) einen anderen Stil ( das Hackelschm­eißen erledigen andere für ihn). Er umgibt sich am erfolgreic­hsten mit anderen Leuten.

Oberstes Gebot ist aber da wie dort: Es gilt zuvorderst den Glanz des Spitzenkan­didaten zu mehren. Motto: Seht her, wer aller sich in den Dienst der Sache von Kurz & Co stellt.

Ein Heer von gescheiter­ten Quereinste­igern beweist: Das geht nur gut, solange die bunt zusammenge­würfelte Schar an Individual­isten kein unkontroll­iertes Eigenleben entwickelt. Dafür spricht vor der Wahl derzeit so gut wie nichts.

Damit könnte am 15. Oktober auch diese Rechnung für den kühlen Strategen Sebastian Kurz aufgehen. Denn abgerechne­t, was die vielen frisch auf Politiker gestrichen­en Promis wirklich bringen, wird erst beim nächsten Mal.

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Kurz und Pilz haben eines gemeinsam: So viele neue Gesichter wie nie sollen zuvorderst ihren Glanz mehren.

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