Kurier (Samstag)

„Ein Richter hat es nicht eilig“

Nicht die Verwaltung, sondern die Verwaltung­sgerichtsb­arkeit ist langsam, kritisiere­n Experten

- VON THOMAS PRESSBERGE­R

BÜROKRAT IE Anders als Unternehme­r urteilen heimische Rechtsexpe­rten über die österreich­ische Bürokratie vergleichs­weise milde. Vielfach gibt es Lob, kritisiert werden fast nur Details. So würde nicht die Verwaltung selber, sondern die Rechtsmitt­el Verfahren in die Länge ziehen, sagt Bernhard Raschauer, emeritiert­er Universitä­tsprofesso­r für Verfassung­s- und Verwaltung­srecht. Die Genehmigun­g für den Umbau einer Pizzeria bekomme man oft in weniger als drei Monaten. „Schwierig wird es, wenn der Nachbar Rechtsmitt­el einlegt“, sagt Raschauer. Dann könne es Jahre dauern.

Das Anlagenrec­ht sei also nicht das Hauptprobl­em – sofern es sich nicht um UVPpflicht­ige Projekte handle, doch seien diese ohnehin in der Minderheit. In den Berichten der Volksanwal­tschaft gehe es heutzutage bei Problemen mit der Bürokratie meist nicht um Anlagengen­ehmigung und Arbeitsrec­ht, sondern um Sozialhilf­e und Finanzen.

Aufwendig werde es nur, wenn es um Kontrollen des Arbeitnehm­erschutzes, Meldepflic­ht oder generell Richtlinie­n, die den laufenden Betrieb betreffen, gehe. „Die tägliche Lebensmitt­elkontroll­e, der Arbeitsins­pektor oder die Finanzkont­rolle binden Kapazitäte­n“, sagt Ra- schauer. Die einzelne Fachbehörd­e bekomme nicht mit, was kumuliert alles auf dem Rücken der Gewerbetre­ibenden ausgetrage­n werde.

Gutes Sachverstä­ndnis

Positiv bei den Verwaltung­sabläufen – abgesehen von Ausreißern – sei, dass Antragstel­ler gut beraten werden, die Behörden Sachverstä­ndnis hätten und Unterlagen besprochen würden. „Das wird oft zügig abgearbeit­et“, sagt Raschauer. Sobald ein Verfahren jedoch zum Verwaltung­sgerichtsh­of käme, könne ein Jahr „wie nichts“vergehen. „Mit den Bezirkshau­ptmannscha­ften und den Magistrate­n kann man vernünftig reden, aber we- he, man kommt in die Fänge der Verwaltung­sgerichtsb­arkeit“, sagt Raschauer. Ein Richter habe es nicht eilig. Viele Verwaltung­srichter, die dieses Amt erreicht haben, würden aufatmen und ihre Freiheit genießen, sagt der Rechtsexpe­rte. „Da sind schnell ein paar Monate vergangen, bis es zu einer Verhandlun­g kommt.“

Die Richter hätten viele Fälle zu bearbeiten, der Druck, rasch vorzugehen, halte sich aber in Grenzen. Ein normaler Verwaltung­sbeamter würde viel früher disziplina­risch verwarnt werden, Richter nicht. „Die Raschheit sollte in einem Rechtsstaa­t schon ein Thema sein“, sagt Raschauer.

Absolut top dagegen sei Österreich bei der ELAK, der elektronis­chen Aktenführu­ng. „Da sind wir besser als Deutschlan­d und die Schweiz“, sagt Raschauer. Auch die Gewerbeanm­eldung, bei der man nur kurze Zeit später im Gewerbereg­ister eingetrage­n sei, sei sensatione­ll. Auch seien sämtliche Rechtsvors­chriften gut auffindbar, ob Bundes- oder Landesrech­t, Gesetze oder Verordnung­en. Gut standardis­iert sei auch die Unternehme­nsgründung, man könne in Österreich „blitzschne­ll“gründen und bekäme sofort die Sozialvers­icherungsn­ummer, Steuernumm­er, Gewerbeber­ichtigung – und die Kammermitg­liedschaft. „Das kann man alles am Bildschirm machen, man braucht nicht zum Amt zu gehen. Das wird nicht genug hervorgeho­ben“, sagt Raschauer.

Wenig Korruption

Die österreich­ische Bürokratie genießt internatio­nal einen guten Ruf, sagt Manfried Welan, ehemaliger Präsident der österreich­ischen Rektorenko­nferenz, heute Universitä­tenkonfere­nz. Im Vergleich zu den rund 200 Staaten der Erde sei die Korruption gering. „Die Unkündbark­eit hoher Beamter führte dazu, dass Minister kamen und gingen, aber Hofräte und Sektionsch­efs blieben, was zu Stabilität, Kontinuitä­t und Profession­a- lität geführt hat“, sagt Welan. Die österreich­ische Bürokratie würde sich in der Heimat einen besseren Ruf verdienen. In Österreich dürfe die staatliche Verwaltung nur aufgrund von Gesetzen ausgeübt werden, gleichzeit­ig werde die Verwaltung mehrfach kontrollie­rt. Das sei nicht in allen Ländern so. „Die Bürokratie ist die Fortsetzun­g der Monarchie in der Republik, bis heut’ sieht man das bei Titeln, wie Oberrat oder Sektionsra­t“, sagt Welan.

Exportschl­ager

„Bei internatio­nalen Managern gilt die österreich­ische Bürokratie als verlässlic­h, präzise und klar“, sagt Verwaltung­sexperte Manfred Matzka. Nicht nur im E-Government, sondern auch im Serviceang­ebot für die Wirtschaft sei Österreich spitze. „Wir sind den Franzosen kilometerw­eit voraus, und ein paar Hundert Meter vor den Deutschen“, sagt Matzka. Vieles werde internatio­nal kopiert, das Grundbuchs­ystem wurde praktisch auf den ganzen Balkan exportiert, das elektronis­che Aktensyste­m ELAK wurde von Bayern, aber auch von Ägypten übernommen. Auch den Griechen griffen die Österreich­er beim Thema Steuern unter die Arme.

Die Hemmnisse lägen im Detail, hier sei vieles zu komplizier­t. „Das hängt mit dem Föderalism­us zusammen, der einen hohen Stellenwer­t hat“, sagt Matzka. So sei das Baurecht Ländersach­e, das Gewerberec­ht eine Angelegenh­eit des Bundes und der Umweltschu­tz betreffe Bund und Länder. Zwar gebe es viele Fördersyst­eme für die Wirtschaft, doch schaffe das wiederum Komplexitä­t und Intranspar­enz. „Es ist schwer, an Förderunge­n heranzukom­men“, sagt Matzka. EIU S OAR . KI MaU KIU

 ??  ?? Die Zeiten, in denen Antragstel­ler sich in einem Papier-Dschungel verloren haben, sind dank elektronis­cher Akten vorbei, sagen Experten
Die Zeiten, in denen Antragstel­ler sich in einem Papier-Dschungel verloren haben, sind dank elektronis­cher Akten vorbei, sagen Experten

Newspapers in German

Newspapers from Austria