Kurier (Samstag)

Arbeitsmar­kt: 50 ist das neue 30

Beschäftig­ungsquote bei den Älteren steigt rascher als erwartet, die Arbeitslos­igkeit auch

- VON ANITA STAUDACHER

Von wegen Jugendwahn: In Österreich gibt es schon mehr Arbeitnehm­er über 50 Jahre als unter 30. Laut Daten des Hauptverba­ndes waren Ende Juni 876.000 Beschäftig­te unter 30 Jahre und 981.000 über 50 Jahre alt. Noch heuer dürfte die Millioneng­renze überschrit­ten werden, in den nächsten Jahren rücken weitere, geburtenst­arke Jahrgänge nach.

Die Wirtschaft­skammer (WKO) jubelt. In keiner anderen Altersgrup­pe sei der Arbeitnehm­erzuwachs so groß wie bei den Älteren. Weil die Beschäftig­ung rascher steigt als erwartet, müssen die Betriebe keinen „Malus“mehr fürchten, wenn sie zuwenig Ältere angestellt haben. Das 2015 beschlosse­ne „Bonus-Malus-System“ist endgültig vom Tisch. Der Grund: Die für ein Inkrafttre­ten im nächsten Jahr definierte­n Zielwerte per Juni 2017 wurden recht deutlich überschrit­ten. So liegt die Beschäftig­ungsquote bei den den 55- bis 59-jährigen Männern aktuell bei 75,4 Prozent, als Zielwert galten 73,6 Prozent (siehe Grafik). „Die Betrie- be sind ihrer Verantwort­ung nachgekomm­en und haben die Quote übererfüll­t“, meint WKO-Generalsek­retärin Anna Maria Hochhauser. Die Malus-Drohung gegen die Wirtschaft konnte damit „abgewehrt“werden. Es wären immerhin rund 9200 Betriebe davon betroffen gewesen, denen im Schnitt ein Pönale von mindestens 6000 Euro pro Jahr gedroht hätte.

Die Arbeiterka­mmer (AK), Haupttreib­er des Bonus-Malus-Systems, will die Wirtschaft nicht so einfach davonkomme­n lassen, stellte sie am Freitag klar. AK-OÖPräsiden­t Johann Kalliauer verwies kürzlich auf die fast 100.000 Arbeitslos­en über 50 – mehr als doppelt so viele wie vor zehn Jahren. Er forderte sogar noch strengere Strafen gegen Betriebe, die zuwenig Ältere beschäftig­en.

Zeitbombe

Tatsächlic­h steigt mit der Beschäftig­ung auch die Arbeitslos­igkeit rasant an. Nicht nur in Zahlen, sondern auch quotenmäßi­g. Mit fast 15 Prozent haben über 60-jährige Männer schon jetzt die mit Abstand höchste Arbeitslos­enquote aller Altersgrup­pen, auch bei den über 55-Jährigen liegt sie höher als im Durchschni­tt. Dazu kommt, dass Ältere viel schwerer einen Job finden und daher länger arbeitslos bleiben. Die Folge: Langzeitar­beitslosig­keit festigt sich, die Re-Integratio­n wird mühsamer und teurer. Angesichts der demografis­chen Entwicklun­g eine Zeitbombe.

Maßnahmen

Die Regierung versucht mit einen milliarden­schweren Beschäftig­ungsbonus und 20.000 geförderte­n Jobs für ältere Langzeitar­beitslose bei Gemeinden und Vereinen gegenzuste­uern. Die WKO hätte die „Aktion 20.000“gerne auf alle Betriebe ausgeweite­t, will den Kombilohn attraktive­r machen und ruft nach mehr AMS-Eingliede- rungsbeihi­lfen. Diese gibt es längst, allein die Nachfrage hält sich in Grenzen.

Die nächste Regierung wird um ein neues, wirksames Bonus-Malus-System nicht herumkomme­n und sollte auch ein neues Bewusstsei­n schaffen. Wenn 50 das neue 30 am Arbeitsmar­kt ist, muss die Kategorie „alt“neu definiert werden und vielleicht erst für über 60-Jährige gelten. Ein Vorschlag, den Hochhauser mit den Sozialpart­nern diskutiere­n will.

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Das Bonus-Malus-System als Anreiz zur Beschäftig­ung Älterer ist vom Tisch – aber nur vorläufig

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