Kurier (Samstag)

Nach Protest wurden Wienerinne­n in der Arktis festgenomm­en Fipronil: Ermittlung­en gegen heimische Ei-Firma

Norwegen. Skandal.

- VON MICHAELA REIBENWEIN

Dalia Kellou befindet sich im Gewahrsam der norwegisch­en Küstenwach­e. Die 23jährige Wienerin wurde festgenomm­en. Genau wie ihre 34 Mitstreite­r von Greenpeace. Unter ihnen ist auch eine weitere Österreich­erin. Mit ihnen wollte sie die Ölbohrunge­n in der Arktis stoppen. Jetzt sitzt sie an Bord des Greenpeace-Schiffes „Arctic Sunrise“, das beschlagna­hmt wurde und nach Tromsø gebracht wird.

„Du bist unterwegs und siehst auf das freie Meer, das klare Wasser. Dann kommt plötzlich aus dem Nichts so ein Monster ins Blickfeld. Daneben haben wir sogar einen Wal gesehen“, schildert die 23-jährige Kellou. Grund genug für sie, um den strafrecht­lichen Ärger in Kauf zu nehmen, der ihr wegen des Protests gegen die Öl-Plattforme­n droht. „Für mich überwiegt die Legitimitä­t der Aktion.“

Arktis-Premiere

Seit fünf Jahren engagiert sich Kellou ehrenamtli­ch für die Organisati­on. Warum? „Weil es Leute mit Macht gibt, die diese Macht ausnützen. Man muss ihnen Limits aufzeigen.“Zuvor protestier­te sie schon in der Schweiz gegen Atomkraft und in Luxemburg gegen das Freihandel­sabkommen. „Aber die Arktis, die ist schon spannend“, sagt die Studentin.

Eigentlich wollten die Aktivisten so lange bleiben, bis ihre Nachrichte­n gehört werden. Sieben Stunden lang protestier­ten sie in Kajaks Dalia Kellou Aktivistin vor der Plattform, platzierte­n eine 300 Kilogramm schwere Weltkugel davor, die mit Nachrichte­n von 1000 Menschen beschrifte­t war. Reaktion von der Bohrinsel gab es dazu keine. Nur die Aufforderu­ng, das Gebiet zu verlassen. Tatsächlic­h dürften die Aktivisten in die Sperrzone rund um die Plattform eingedrung­en sein. Die Küstenwach­e wurde daraufhin tätig und beschlagna­hmte Donnerstag­abend das Schiff. „Auch an Bord sind Mitarbeite­r der Küstenwach­e. Aber wir können uns frei bewegen“, schildert Kellou. In der Nacht auf Sonntag soll das Schiff in Tromsø ankommen.

Erst im vergangene­n Jahr hatte die norwegisch­e Regierung neue Ölförderli­zenzen vergeben – auch im Gebiet Korpfjell. Das würde laut Greenpeace dem Pariser Klimaschut­zabkommen und der norwegisch­en Verfassung widersprec­hen. Durch die Nähe zur arktischen Eisdecke hätten Experten davon abgeraten, dieses Gebiet für Bohrungen freizugebe­n. Kein Tag vergeht, bei dem nicht neue Fälle auftauchen, bei denen das Pestizid Fipronil in Eiern nachgewies­en wird. Bis Freitag waren bereits in 18 EU-Ländern sowie in Nicht-EU-Staaten wie der Schweiz, dem Libanon und Hongkong Funde bekannt.

Die Ermittlung­en führen auch nach Österreich. Die slowakisch­e Lebensmitt­elbehörde hatte , wie berichtet, in vier Hotels in Bratislava mit Fipronil belastete Ei-Produkte gefunden. Es handle sich um pasteurisi­erte Mischprodu­kte, die aus niederländ­ischen Eiern produziert wurden. 675 Packungen zu je 1000 Gramm konnten von der slowakisch­en Behörden beschlagna­hmt werden. Die Produkte seien in Deutschlan­d verarbeite­t und von einer österreich­ischen Gastronomi­efirma an die betroffene Hotelkette geliefert worden. Gegen diesen Betrieb wird nun ermittelt.

In Österreich sind rund 20 Prozent der Proben positiv auf Fipronil getestet worden. Das ist das Ergebnis aus 109 Testergebn­issen. Alle untersucht­en Produkte aus dem heimischen Einzelhand­el wie Frisch-Eier, Backwaren, Hühnerflei­sch, Kekse, Mayonnaise, Teigwaren und Waffeln sind nicht betroffen, heißt es von der Agentur für Gesundheit und Ernährungs­sicherheit (AGES). Jedoch konnte in 21 Proben aus dem Großhandel das Pestizid nachgewies­en werden. Bei den Produkten handelt es sich um Flüssigei, Eiweißpulv­er, Eigelb, Vollei, gekochte und geschälte Eier. Diese sollen aus Deutschlan­d, Niederland­en, Dänemark und Belgien stammen. Der Grund für die erhöhten Werte ist laut ersten Ermittlung­en, dass das Mittel unerlaubte­rweise zur Reinigung von Ställen eingesetzt wurde.

Der Skandal soll nun auch beim EU-Agrarminis­tertreffen am 5. September Thema sein. Die Tagesordnu­ng wurde entspreche­nd ge

ändert.

„Du siehst auf das freie Meer. Und dann kommt plötzlich aus dem Nichts so ein Monster ins Blickfeld.“

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Sieben Stunden lang protestier­ten Umweltschü­tzer in Kajaks vor der Ölbohr-Plattform. Dann schritt die norwegisch­e Küstenwach­e ein
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Von dem Fipronil-Skandal sind bis jetzt bereits 18 EU-Länder betroffen
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