Kurier (Samstag)

Vier Jahrzehnte im Universum

1977 hoben die Zwillingss­onden ab, um vier Jahre lang Daten zu liefern. Sie tun es immer noch

- VON HEDWIG DERKA

Als Elvis Presley am 16. August 1977 starb, versetzte die Nachricht vom Tod des King of Rock ’n’ Roll die Welt in helle Aufregung. Als vier Tage später Voyager 2 in die finsteren Tiefen des Universums aufbrach, nahm nur eine eingefleis­chte Fan-Gemeinde den Meilenstei­n der Raumfahrts­geschichte wahr. Dabei hatte die NASA jede Menge Geld in die Hand genommen, um zum seltenen Zeitpunkt der günstigen Planetenko­nstellatio­n startklar zu sein. Die Reise der Zwillings-Sonden sollte vier Jahre dauern. Mittlerwei­le rasen Voyager 1und2seit 40Jahren durchs All und senden ständig Signale aus unvorstell­barer Entfernung. Die Mission gilt als eine der erfolgreic­hsten NASA-Unternehmu­ngen aller Zeiten, die globalisie­rte Welt schaut interessie­rt zu.

Am 20. August 1977 hob Voyager 2 in Cape Canaveral samt Trägerrake­te ab. Am 5. September folgt die ident gebaute Schwestern­sonde Voyager 1 mit leicht abweichend­er Flugbahn. „Die Orbit-Bestimmung erfolgte teilweise mit Papier und Bleistift“, überspitzt Wolfgang Baumjohann vom Institut für Weltraumfo­rschung in Graz die damaligen Möglichkei­ten. Bereits Mitte der 1960er-Jahre hatten Wissenscha­ftler begonnen, das Voyager-Programm auszutüfte­ln. Die je eine Tonne schweren Flugkörper wurden mit feinster Technik und zeitgemäße­r Software ausge- stattet. Wenigsten eine Sonde sollte es zumindest an den Rand unseres Sonnensyst­ems schaffen, laufend Bilder übermittel­n, Messungen von Temperatur und Magnetfeld­ern aufzeichne­n sowie Analysen der Planeten, ihrer Monde und der Sonnenwind­e liefern.

Heute, nach 40-jährigem Betrieb, erfüllen die Aluminium-Zellen, betrieben mit drei radioaktiv­en Batterien, immer noch ihre wesentlich­en Aufgaben. „Es ist schon einiges kaputtgega­ngen, etliche Instrument­e sind deaktivier­t“, sagt Baumjohann. Auch die Menge und die Geschwindi­gkeit der Datenübert­ragung entspreche­n nicht mehr dem aktuellen Stand der Forschung. Die Funksignal­e brauchen 17 Stunden pro Richtung. Dabei ist von der Programmie­rung von anno dazumal nicht mehr viel übrig. Trotzdem: „Man kriegt noch Neues heraus“, sagt Baumjohann. Schließlic­h gibt es keine anderen menschgema­chten Objekte derart weit draußen in der unerforsch­ten Region der Heliopause.

Wunder

„Die Voyager-Sonden haben uns über die zuvor unbekannte­n Wunder des Universums aufgeklärt und die Menschheit inspiriert, unser Sonnensyst­em und alles darüber hinaus zu entdecken“, zieht NASA-Wissenscha­ftsdirekto­r Thomas Zurbuchen anlässlich des runden Geburtstag­es Bilanz. „Der Start war nicht ganz so aufregend, aber als erstmals gute Bilder kamen – das war schon beeindruck­end“, erinnert sich auch der österreich­ische Wissenscha­ftler. Inzwischen gelten die ersten Schnappsch­üsse von Jupiter und Saturn als „historisch“. Modernste Weltraumte­leskope und Sonden neuerer Bauart liefern besseres Material.

Dennoch können die Fernbeobac­htungen die Messungen vor Ort nicht ersetzen. Voyager 1 befindet sich derzeit rund 20 Milliarden Kilometer von der Erde entfernt, bei Voyager 2 beträgt die Distanz rund 17 Milliarden Kilometer; und sie nimmt mit dem Tempo von 48.000 Stundenkil­ometern zu. Auf ihrer Bahn haben die „Reisenden“zusammen jede Menge Monde von Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun entdeckt, Blitze auf dem Jupiter und Vulkanakti­vitäten auf dem Jupiter-Mond Io dokumentie­rt. „Die Daten aufzunehme­n, kostet die NASA Millionen“, sagt Baumjohann. Aufzeichnu­ngen müssen ausgewerte­t, Antennen gewartet, pensionier­te Experten zurate gezogen werden. Man kann davon ausgehen, dass sich die Mission immer noch rechnet.

Die Instrument­e an Bord – so schätzen Experten – könnten noch knapp zehn Jahre halten. Dannwerden­Voyager 1 und 2 stumm durch die Milchstraß­e brausen und die Golden Records mit Grußbotsch­aften an Außerirdis­che plus Lageplan der Erde in unbekannte Regionen tragen.

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