Der Analytiker als großer, vollendeter Klangregisseur
Kritik. Maurizio Pollini im Festspielhaus
Maurizio Pollini ist der große Intellektuelle unter den Pianisten. Seit den Siebzigerjahren bereichert der 1942 geborene Mailänder mit seinen Solo-Abenden die Salzburger Festspiele und fügt Jahr um Jahr ein Stück Musikgeschichte hinzu.
Das ist auch diesen Sommer nicht anders. Nachdenklich, grüblerisch hebt er mit dem dunklen „Nocturne in f-Moll“zur Wanderung durch sein Kernrepertoire Chopin an. Als gelte es die Zeit anzuhalten, schlägt er die Tasten des Steinway-Fabbrini Flügels, bis der letzte Ton dieses Opus 55 sehnsüchtig, wehmütig verhallt.
Einen scharfen Gegensatz dazu setzt er mit der Barcarolle. Bei Pollini gerät das Werk nicht zum liebevoll einlullenden Gondelschaukellied. Radikal verweist er mit verstörend strenger Kargheit auf die Brüche dieses Stücks.
Chopins „dritte Klaviersonate in h-Moll“ist eines jener Werke, das man von Pollini schon das eine oder an- dere Mal gehört hat. Unglaublich, dass er damit noch überraschen kann. Vom spielerischen Beginn spannt er den Bogen über die vier Sätze, ohne auf Effekte zu zielen und bringt sein Klavier zum Singen.
Auch bei Claude Debussys „Präludien aus Heft 2“protzt Pollini nicht mit technischem Können und Virtuosität. Die sind bei ihm selbstverständlich. Er fokussiert sein Spiel auf den Charakter eines Werks, agiert wie ein Regisseur. Ingeniös fahndet er mit dem Komponisten nach der Verbindung zu anderen Musikstilen.
Debussys Regieanweisungen setzt Pollini mit sinnlicher Intensität um. Ohne Kraftmeierei lässt er das finale „Feuerwerk“erstrahlen. Einer dramaturgischen Logik folgt der fulminante Zugabenteil: Debussys „versunkene Kathedrale“aus Heft eins der „Präludien“spielt er kraftvoll und schließt mit Chopins drittem Scherzo.