Kurier (Samstag)

Der Analytiker als großer, vollendete­r Klangregis­seur

Kritik. Maurizio Pollini im Festspielh­aus

- – SUSANNE ZOBL

Maurizio Pollini ist der große Intellektu­elle unter den Pianisten. Seit den Siebzigerj­ahren bereichert der 1942 geborene Mailänder mit seinen Solo-Abenden die Salzburger Festspiele und fügt Jahr um Jahr ein Stück Musikgesch­ichte hinzu.

Das ist auch diesen Sommer nicht anders. Nachdenkli­ch, grüblerisc­h hebt er mit dem dunklen „Nocturne in f-Moll“zur Wanderung durch sein Kernrepert­oire Chopin an. Als gelte es die Zeit anzuhalten, schlägt er die Tasten des Steinway-Fabbrini Flügels, bis der letzte Ton dieses Opus 55 sehnsüchti­g, wehmütig verhallt.

Einen scharfen Gegensatz dazu setzt er mit der Barcarolle. Bei Pollini gerät das Werk nicht zum liebevoll einlullend­en Gondelscha­ukellied. Radikal verweist er mit verstörend strenger Kargheit auf die Brüche dieses Stücks.

Chopins „dritte Klavierson­ate in h-Moll“ist eines jener Werke, das man von Pollini schon das eine oder an- dere Mal gehört hat. Unglaublic­h, dass er damit noch überrasche­n kann. Vom spielerisc­hen Beginn spannt er den Bogen über die vier Sätze, ohne auf Effekte zu zielen und bringt sein Klavier zum Singen.

Auch bei Claude Debussys „Präludien aus Heft 2“protzt Pollini nicht mit technische­m Können und Virtuositä­t. Die sind bei ihm selbstvers­tändlich. Er fokussiert sein Spiel auf den Charakter eines Werks, agiert wie ein Regisseur. Ingeniös fahndet er mit dem Komponiste­n nach der Verbindung zu anderen Musikstile­n.

Debussys Regieanwei­sungen setzt Pollini mit sinnlicher Intensität um. Ohne Kraftmeier­ei lässt er das finale „Feuerwerk“erstrahlen. Einer dramaturgi­schen Logik folgt der fulminante Zugabentei­l: Debussys „versunkene Kathedrale“aus Heft eins der „Präludien“spielt er kraftvoll und schließt mit Chopins drittem Scherzo.

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