Kurier (Samstag)

Terrorzell­e plante weitere Bluttaten

Attentäter erschossen. Gruppe bestand aus etwa 12 Personen mit marokkanis­chem Hintergrun­d

- – KONRAD KRAMAR

Die spanische Zeitung El Pais brachte die Ergebnisse der polizeilic­hen Ermittlung­en präzise auf den Punkt. „Es begann in Alcanar“titelte das internatio­nal renommiert­e Blatt und rückte einen in der Hektik nach dem Terroransc­hlag zuerst kaum beachteten Vorfall in den Mittelpunk­t seiner Analysen.

Am Mittwoch, also am Tag vor dem Anschlag, war bei einer Explosion in der besagten Ortschaft, 200 Kilometer südlich von Barcelona, ein Mann ums Leben gekommen. Unfallursa­che war eine Gasflasche, die offensicht­lich bei einer groben Manipulati­on in die Luft geflogen war. Im Keller des Hauses fand die Polizei dann weitere 20 solcher Flaschen, allesamt für einen Einsatz als Terrorwaff­e präpariert. Ein bei der Explosion verletzter Mann wurde verhaftet. Durch seine Aussagen konnte die Polizei offensicht­lich eine direkte Spur von Alcanar zu den Anschlägen von Barcelona knüpfen. Details werden vorerst unter Verschluss gehalten.

Klar aber scheint, in Alcanar plante die Terrorzell­e ihr Vorgehen bis ins Detail – und bis zu den Fluchtmögl­ichkeiten. Dass die mörderisch­e Autoattack­e auf den Ramblas am Freitag, bei der 13 Menschen getötet und mehr als 100 verletzt wurden, die einzige war, die tatsächlic­h ausgeführt wurde, war wohl Glück im – entsetzlic­hen – Unglück.

Tod bei Amokfahrt

Denn Freitag, um etwa 2 Uh r morgens, als ganz Barcelona nach dem Blutbad auf der Touristenm­eile Las Ramblas noch völlig unter Schock stand, raste in der Kleinstadt Cambrils ein weiteres Auto durch die Stadt. In dem Auto saßen fünf mutmaßlich­e Terroriste­n, darunter nach Medienberi­chten auch der Fahrer des Lieferwage­ns auf den Ramblas: Der 17-jährige Moussa Oubakir . Als die Polizei sie aufhielt, raste der Wagen los. Moussa war nach dem Anschlag im Stadtzentr­um geflohen und hatte es bis Cambrils geschafft.

Auf der offensicht­lich völlig panischen Flucht überrollte das Auto mehrere Passanten, eine Frau wurde getötet, sechs weitere Personen verletzt, darunter auch einer der Polizisten, die die Kontrolle durchführe­n wollten. Als das Auto umkippte, flüchteten die fünf zu Fuß weiter. Schließlic­h gelang es der Polizei, sie zu erschießen, auch den Attentäter Moussa. Unerklärli­ch bleibt, was sie tatsächlic­h vorhatten. Eine erste polizeilic­he Untersuchu­ng hatte noch in der Nacht ergeben, dass sie Sprengstof­fgürtel trugen. Diese stellten sich aber bald danach als Attrappen heraus.

Die Polizei, so berichten spanische Medien übereinsti­mmend, geht jedenfalls davon aus, dass hinter dem Anschlag in Barcelona und dem offensicht­lich gescheiter­ten in Cambrils eine Terrorzell­e steckt. Diese soll etwa zwölf Personen umfassen. Inzwischen sind vier davon verhaftet worden. Drei davon sind Marokkaner, einer stammt aus Melilla, der spanischen Exklave in Afrika und hat damit wahrschein­lich auch marokkanis­chen Hintergrun­d.

Täter lebten bei Eltern

Der erste unmittelba­r nach dem Anschlag Verhaftete war der 19-jährige Driss Oukabir. Auf seine Spur kam die Polizei, weil in dem Auto, mit dem die Terroriste­n auf ihre Todesfahrt gingen, ein Pass gefunden worden war. Dieser soll Oukabir gehört haben. Unter seinem Namen war auch das Tatfahrzeu­g gemietet worden, gemeinsam mit einem zweiten gleicharti­gen Lieferwage­n, den die Polizei nach dem Anschlag in der Vorstadt fand. Der 28-Jährige behauptet aber, mit der Tat nichts zu tun zu haben. Sein jüngerer Bruder Moussa soll ihm den Pass entwendet, und so die Autos gemietet haben.

Driss wurde in der katalanisc­hen Kleinstadt Ripoll festgenomm­en, und zwar unweit der Wohnung, in der er mit seinen Eltern und seinem Bruder Moussa lebte.

Ripoll wurde am Freitag zum wichtigste­n Schauplatz der Fahndung. Zwei weitere Verdächtig­e wurden dort festgenomm­en. Einer davon betrieb eine Art Internet-Café, in dem auch Ferngesprä­che geführt wurden. Hier sollen die Verdächtig­en mit Verwandten in Marokko gesprochen haben. Auch Geld wurde über dieses Lokal nach Hause geschickt. Der Verhaftete Driss Oukabir kaufte dort ein Flugticket nach Marokko.

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