Kurier (Samstag)

Zu wenig Transparen­z bei Parteifina­nzen

Experten sehen zahlreiche Schlupflöc­her, Parteien sind zu Nachbesser­ungen bereit

- VON B. BALTACI UND P. TEMEL

„Mehr als erwartet“, sagten Experten, als mit 1. Juli 2012 das völlig neu gefasste Parteienge­setz in Kraft trat. Nach fünf Jahren Transparen­zpaket heißt es von einer Experten-Plattform rund um Politologe Hubert Sickinger aber: Reformbeda­rf. Insbesonde­re in Sachen Parteienfi­nanzierung biete das Gesetz zahlreiche Schlupflöc­her, berichtete am Freitag die Initiative „Echte Transparen­z“. Die zentralen Kritikpunk­te im kritischen Überblick:

Keine Sanktionen Im Parteienge­setz

sind derzeit bei Nichtabgab­e eines Rechenscha­ftsbericht­s keine Sanktionen vorgesehen. Das heißt: Überschrei­tet eine Partei die erlaubten Wahlwerbun­gskosten von sieben Millionen Euro, könnte sie sich der Kontrolle entziehen, indem sie einfach den Rechenscha­ftsbericht nicht abgibt.

Lückenhaft­e Kontrolle

Der Rechnungsh­of kann nur auf Basis der Rechenscha­ftsbericht­e und nicht von sich aus prüfen. Er kann also nicht – auch bei begründete­m Verdacht – Einblick in die Buchhaltun­g nehmen oder auf Konten zugreifen. Obwohl Sachleistu­ngen Dritter als Spenden zu deklariere­n sind, können sie vom Kontroll- und Sanktionss­ystem nicht erfasst werden, wenn eine Partei sie nicht angibt. Deswegen fordern Experten volle Prüfkompet­enz für den Rechnungsh­of, damit er Parteien – inklusive deren Parlaments­klubs und Vorfeldorg­anisatione­n – vollständi­g kontrollie­ren kann.

Vermögen & Schulden Die

Parteien sind, anders wie etwa in Deutschlan­d, nicht zur Veröffentl­ichung sämtlicher Vermögens- und Schuldenst­ände verpflicht­et. Die Offenlegun­g von Einnahmen und Ausgaben der Parteifirm­en sei für eine Nachvollzi­ehbarkeit der Parteifina­nzen nicht ausreichen­d.

Informatio­nen zu spät

In Österreich müssen die Bürger vor dem Wahltag nicht erfahren, wie die Parteien ihren Wahlkampf finanziert haben. In vielen Staaten sind jedoch Parteien verpflicht­et spätestens eine Woche vor dem Wahltag ihre Wahlkampff­inanzierun­g offenzuleg­en. Derzeit müssen Parteien erst bis Ende September des Folgejahre­s ihre Rechenscha­ftsbericht­e an den Rechnungsh­of übermittel­n.

Meldung der Großspende­r

Die zeitnahe Offenlegun­gvonEinzel­spenden über 50.000 Euro hat sich laut Experten als nicht ausreichen­d erwiesen, weil viele Spender die Salamitakt­ik anwenden. Dass heißt, sie spenden gestückelt­e Beträge über einen längeren Zeitraum. Deswegen solle der Betrag auf 10.000 Euro herabgeset­zt werden.

Schwindeln bestrafen

Ein ernsthafte­s Vorgehen gegen Spendenwäs­che sei aber nur dann möglich, wenn das vorsätzlic­he Verschleie­rn von Großspende­n und das Umgehen der Rechenscha­ftspflicht strafrecht­liche Delikte werden, wie Sickinger im Gespräch mit dem KURIER fordert. „Kontenöffn­ungen und die Vernehmung von Auskunftsp­ersonen unter Wahrheitsp­flicht kann nur die Staatsanwa­ltschaft beim Verdacht einer Straftat vornehmen“, erklärt der Experte.

Die SPÖ kann sich vorstellen, das Thema zum Strafgeset­zparagraph­en zu machen. Bundesgesc­häftsführe­r Georg Niedermühl­bichler verweist auf die jüngste SP-Forderung nach einer Obergrenze von 20.000 Euro für Großspende­n, „um zu verhindern, dass sich Reiche und Mächtige in Parteien einkaufen.“

FPÖ-Generalsek­retär Herbert Kickl plädiert für einen niedrigere­n Schwellenw­ert für die verpflicht­ende Meldung von Großspende­n und will Schlupflöc­her bei „angeblich unabhängig­en Personenko­mitees“schließen. Die ÖVP zeigt sich zumindest „gesprächsb­ereit, was eine Verschärfu­ng der Gesetze im Sinne der Transparen­z betrifft.“

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Eine Hand wäscht die andere: Das Transparen­zpaket hat an dieser Möglichkei­t wenig geändert
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Das Wiener Handelsger­icht wird zum Wahlkampfs­chauplatz: Ein Auszug der 17-seitigen Klage der SPÖ gegen ÖVP-Chef Kurz

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