Kurier (Samstag)

Aus dem PISA-Desaster gelernt

Lehrerausb­ildung verbessert, Schwache stärker gefördert. Der Vergleich mit Österreich

- VON UTE BRÜHL

Als im Jahr 2001 die erste PISA-Studie veröffentl­icht wurde, war die österreich­sche Schulwelt noch in Ordnung – waren die Ergebnisse doch besser als in Deutschlan­d. Handlungsb­edarf schien es nicht zu geben.

Ganz anders war das bei unserem großen Nachbarn: Das Land, das sich als Land der Dichter und Denker bezeichnet, war nur Mittelmaß. Eine Demütigung. Jetzt waren die Bildungspo­litiker in den Bundesländ­ern gefragt – Bildung ist in Deutschlan­d Ländersach­e. Immerhin, die Maßnahmen zeigten Wirkung: Jahr für Jahr wurden die deutschen Schüler besser, nur 2015 gab es einen kleinen Rückschlag.

Das Erfolgsrez­ept: „Man hat viel Geld in die Hand genommen“, sagt Stefan Hopmann, Bildungsfo­rscher an der Uni Wien. „Und man hat in die Lehrerausb­ildung inves- tiert.“Da angehende Lehrer ein Referendar­iat machen müssen, geht das in Deutschlan­d leichter. Nach vier Jahre Studium, das auch für Volksschul­lehrer (anders als in Österreich) akademisch ist, machen Pädagogen eine zweijährig­e Praxisausb­ildung. „In der Fachdidakt­ik konnte man so viel bewegen“, sagt Hopmann. Zudem konzentrie­rten sich die Reformer auf die Kernproble­me – die Integratio­n von Migranten und Kindern aus sozial schwachen Familien. In Bayern hat man etwa den Deutschkur­s für Kinder mit Sprachdefi­ziten von 40 auf 240 Stunden erhöht – ein Angebot, das mittlerwei­le auch deutschspr­achige Kinder nutzen. Ihre Fortschrit­te spiegeln sich in den PISA-Ergebnisse­n deutlich wider.

Investiert wurde zudem in die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwisse­nschaften, Technik). Und die Kultusmini­ster, die für die Bildung zu- ständig sind, haben sich auf gemeinsame Bildungsst­andards geeinigt. Fast jedes Bundesland hat ein eigenes Zentralabi­tur. Nach wie vor gilt das bayerische Abitur als das schwierigs­te. Dass schafft Ungleichhe­iten und Ungerechti­gkeiten. Denn für die meisten Fächer an den Unis gibt es einen Numerus clausus (Zugangsbes­chränkung in Form des Notenschni­tts).

Schnell im Beruf

Bei aller PISA-Fixierthei­t darf man aber nicht übersehen: Der Übergang von Schule in Beruf und Gesellscha­ft gelingt sowohl in Deutschlan­d als auch in Österreich gut. „Beide Länder gehören hier zu den Top Fünf in Europa“, sagt Hopmann. Besonders punkten kann Österreich bei den berufsbild­enden höheren Schulen wie HTL oder HAK, wo mittlerwei­le mehr Schüler maturieren als in der klassische­n AHS. In Deutschlan­d kommen ca. 90 Prozent der Studenten aus Gymnasien.

Vergleicht man die beiden Schulsyste­me, so findet man mehr Gemeinsamk­eiten als Trennendes, was historisch­e Gründe hat. In beiden Ländern sind die Kommunen für die Gebäude zuständig, während die Lehrer vom Bund bzw. von den Ländern finanziert werden. In Deutschlan­d führt das dazu, dass die Qualität der Schulbaute­n höchst unterschie­dlich ist, gerade ärmere Gemeinden haben hier Wettbewerb­snachteile. Wohl ein Grund dafür, warum SPDKanzler­kandidat Martin Schulz die schulische Infrastruk­tur zum Thema macht.

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Das deutsche und österreich­ische Bildungssy­stem hat viele Gemeinsamk­eiten, etwa die berufliche Ausbildung
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