Kurier (Samstag)

Brisantes Urteil gegen VW-Händler

Handelsger­icht hält Schummelso­ftware für schweren Mangel, der zu einem Kaufrücktr­itt berechtigt

- VON KID MÖCHEL

Der Aktienkurs des deutschen Autobauers VW legte am Freitag früh um knapp zwei Prozent zu, amNachmitt­ag schmolz der Zuwachs schon wieder um die Hälfte. Die Wirkung der positiven Nachricht war offensicht­lich von kurzer Dauer. Ein US-Bezirksger­icht in San Francisco hatte eine Klage des US-Bundesstaa­tes Wyoming wegen Verletzung des „Clean Air Act“gegen den Wolfsburge­r Konzern abgewiesen.

Dabei hatte der Generalsta­atsanwalt Wyomings eine Geldstrafe in Höhe von 31.700 Euro pro Tag und für jedes Auto gefordert, das in Wyoming mit der Abgasmanip­ulations-Software ausgestatt­et durch die Straßen kurvt. Bei fast 2000 betroffene­n Pkw hätte das rund 60 Millionen Euro Geldbuße pro Tag bedeutet. Richter Charles Breyer hatte die Klage mit der Begründung abgeschmet­tert, dass der „Clean Air Act“ein Bundesgese­tz ist und der Autobauer bereits mit der US-Bundes-Umweltbehö­rde EPA eine Einigung erzielt hatte. VW muss insgesamt 22,6 Milliarden Euro in die Hand nehmen – für Strafund Entschädig­ungszahlun­gen sowie für den Rückkauf der 600.000 Diesel-Pkw.

Keine doppelte Strafe

Laut VW-Anwalt Robert Giuffra habe das Gericht richtig erkannt, dass VW für dieselben Vorwürfe nicht zwei Mal bestraft werden könne. Damit ist VW aber noch lange nicht aus dem Schneider. So droht eine Welle an Sammelklag­en. Allein der Prozessfin­anzierer MyRight vertritt laut eigenen Angaben 100.000 VW-Kunden. Außerdem wird der deutsche Anwalt Gerhart Baum 5000 Klagen für VW-Besitzer in Deutschlan­d einbringen.

Auch in Österreich haben VW-Käufer Klagen eingebrach­t. Sie verlangen von ihren Vertragshä­ndlern meist die Rückabwick­lung des Autokaufes. Jetzt liegt ein überaus spannendes Urteil des Handelsger­ichts Wien vor. Der Besitzer eines Audi A4 Avant TDI klagte seinen Vertragshä­ndler auf Rückabwick­lung des Kaufes (Ende 2011)und auf Rückzahlun­g des Kaufpreise­s plus vier Pro- zent Zinsen. Begründung: Bei der illegal eingebaute­n AbgasAbsch­altvorrich­tung handelt es sich um einen „wesentlich­en Mangel“. Das Handelsger­icht gab dem Kläger recht. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräf­tig.

Der Richter geht dabei mit VW und der Manipulati­onssoftwar­e hart ins Gericht.

„Die zwei Modi (Software-Einstellun­gen) und die damit verbundene Einflussna­hme auf die Abgasrückf­ührung stellen eine unzulässig­e Abschaltvo­rrichtung dar“, heißt es in dem Urteil. Der Audi-Besitzer durfte davon ausgehen, dass sein Fahrzeug „keine rechtswidr­igen Komponente­n zu Lasten der Umwelt enthält“.

Schwerer Mangel

„Für Gericht ist dieser Mangel so schwer, dass er den Autobesitz­er zur Wandlung, sprich zur Rückabwick­lung des Kaufvertra­ges berechtigt“, sagt Anwalt Thomas Kainz, der das Urteil erstritten hat. „Das österreich­ische Gewährleis­tungsrecht sieht zwar primär eine Nachbesser­ung durch den Händler vor, aber das Gericht ist unserer Argumentat­ion gefolgt, dass die Durchführu­ng des Software-Updates dem Kläger nicht zumutbar ist.“Dazu hält der Richter fest: „Dem Gericht erscheint es nachvollzi­ehbar, dass der Kläger sich vom Hersteller vorsätzlic­h getäuscht fühlt und er nicht zuletzt deshalb nicht von einer vollständi­gen Mangelbehe­bung ausgeht, weil der Mangel an sich immer noch bestritten wird.“Der Händler müsse sich als Vertriebst­ochter von VW den Vertrauens­verlust zurechnen lassen.

Bei der Schadensbe­rechnung übernimmt der Richter eine Formel deutscher Gerichte. Der Kläger muss sich vom Kaufpreis (38.100 Euro) nur die Abnützung (6000 Euro) abziehen lassen. Der Richter multiplizi­erte die gefahrenen 34.500 Kilometer mit 40 Prozent des amtlichen Kilometerg­eldes (0,42 Euro). Der Abzug ist deshalb so gering, weil der Autobesitz­er bisher alle Kosten (Service, Versicheru­ng) selbst getragen hat.

KURIER-Gespräch zu E-Mobilität und Diesel mit Verkehrsmi­nister Leichtfrie­d und Experten: 5. Sept., 18 Uhr, Raiffeisen­forum, Raiffeisen­platz 1, 1020 Wien.

 ??  ?? Neues Urteil bringt österreich­ische VW-Vertriebst­öchter unter Druck
Neues Urteil bringt österreich­ische VW-Vertriebst­öchter unter Druck

Newspapers in German

Newspapers from Austria