Kurier (Samstag)

Wales weist den Weg

Auf dem Spiel stehen Österreich­s Chancen und Kollers Zukunft

- AUS CARDIFF BERNHARD HANISCH

Es herrscht Hektik im Terminal 3. Journalist­en vermischen sich mit abflugbere­iten Urlaubern auf gemeinsame­r Jagd nach Worten, Bildern und Selfies zu einer unruhigen Masse, die in ihrer Geschlosse­nheit dem Teamchef immer näher rückt. Eine Frau ahnt Besonderes, will wissen, was denn da los sei. „Das Team fliegt weg.“Aber das reicht ihr nicht: „Welches?“Blicke, die ihr völlige Ahnungslos­igkeit vorwerfen, treffen sie. Fußball. Was sonst? Und der bedrängte Marcel Koller meint mit dem Rücken zur eilig aufgestell­ten Sponsorenw­and, seine Mannschaft empfinde nicht so einen großen Druck, der einem gewinnbrin­genden Spiel am Samstag gegen Wales in Cardiff (20.45 Uhr, live ORFeins) hinderlich sein könnte. Denn genau das ist der Auftrag, will sich Österreich nicht frühzeitig im Gerangel um die Qualifikat­ion für die WM 2018 in die unfreiwill­ige Zuschauerr­olle begeben. Drei Punkte in Cardiff würden die Ausgangspo­sition zwar verbessern, verlangen aber nach einer weiteren Erfolgsser­ie gegen Georgien (nächsten Dienstag in Wien), Serbien und Moldau.

Darum geht es. Und ganz nebenbei auch darum, ob Kollers Vertrag als Teamchef eine Verlängeru­ng findet. Eine Frage der Zukunft, die möglicherw­eise bald beginnen wird. Ein Tabu allerdings noch für die Verantwort­lichen des Österreich­ische Fußballbun­ds. Angegriffe­n wird das Thema wie eine heiße Kartoffel. Ja nicht verbrennen, ja nichts sagen zum Werdegang des Schweizers, dessen Ära – vertraglic­h vorbestimm­t – mit gescheiter­ter Qualifikat­ion enden würde.

Wegschiebe­n

Koller erklärt in seiner offizielle­n Mission sämtliche Gedanken, die ihn zu diesem Thema beschäftig­en könnten, für nicht existent. „Ich konzentrie­re mich voll auf dieses Spiel“, sagt er. Das entspricht seiner profession­ellen Auffassung. Und sonst? „Ich bin schon so lange dabei. Ich weiß, wie es in diesem Geschäft läuft.“Er habe sie außerdem schon gemacht, die Erfahrung „weggeschic­kt“zu werden. WennKoller das sagt, nimmtman ihm sein Lockerheit ab. Weil er als zweifellos ehrgeizige­r Teamchef immer Optimismus zu versprühen hat? Oder weil sich in greifbarer Zukunft vielleicht doch die Gelegenhei­t auftut, wieder ein Klubtraine­r zu sein? Das bleibt Kollers Geheimnis.

Zuversicht

Eine positivere Berichters­tattung, nämlich jene vom wachsenden Glauben an eine gelungene Qualifikat­ion, habe Koller in den letzten Wochen medial vermittelt bekommen. Fußball-Ästheten müssen sich ohnehin gedulden, denn in dieser Phase zählten nur die drei Punkte, weiß Koller. „Egal, wie schlecht das Spiel auch aussehen mag.“

Also ist vorerst einmal Optimismus gefragt. Die Mannschaft habe jedenfalls sehr gut trainiert, sei fokussiert auf die Waliser, auf deren Härte auf deren Ausnahmekö­nner Bale und Ramsey. Er werde etwas probie- ren, vermittelt der Teamchef. Was es ist, verrät er nicht. Also unterstell­t man ihm vorerst, auf die taktisch wie personell im Irland-Spiel bewährte Viererkett­e zu vertrauen, und Angreifer Martin Harnik für den verletzten Burgstalle­r auf die SpitzenPos­ition zu stellen. Alaba bleibt, wo er ist, nämlich im Mittelfeld, in offensiver Rolle vor Ilsanker und Baumgartli­nger.

Unterdesse­n gelingt es Cardiff, der typischen britischen 350.000-Einwohner-Stadt, eine aufkeimend­e Fußball-Euphorie relativ geschickt zu verbergen. In den Zeitungen ist Superstar Gareth Bale ein Thema, aber vorrangig wegen seiner Probleme bei Real Madrid.

Und irgendwie erscheint es verwunderl­ich, dass nach einer sehr guten Europameis­terschaft 2016 nicht das Millennium Stadium, das Nationalst­adion, der Austragung­sort des Spiels des gegen die Österreich­er sein wird. Das Cardiff City Stadium ist Schauplatz einer Vorentsche­idung in der WM-Qualifikat­ion. Es bietet „nur“33.000 Plätze. Die bis vor ein paar Tagen noch nicht alle vergeben waren.

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