Kurier (Samstag)

„Überwältig­t, dankbar und bewegt“

Eike Schmidt, derzeit Chef der Uffizien in Florenz, übernimmt 2019 die Direktion

- VON GEORG LEYRER

Das besucherst­ärkste Museum Österreich­s bekommt 2019 einen neuen Chef. Eike Schmidt, 49-jähriger Kunsthisto­riker aus Deutschlan­d, wird von den Uffizien in Florenz, wo er seit 2015 als erster Nicht-Italiener Direktor ist, ins Kunsthisto­rische Museum (KHM) in Wien wechseln. Kulturmini­ster Thomas Drozda sagte, Schmidt soll das auf den Habsburger Kunstsamml­ungen gegründete Haus ins 21. Jahrhunder­t und in die Welt des Digitalen führen. Schmidt zeigte sich „überwältig­t, dankbar und bewegt“.

? Warum kam es zum Direktoren-Wechsel?

2019 wird Sabine Haag zehn Jahre Generaldir­ektorin des KHM gewesen sein. Die Entscheidu­ng, Haags Vertrag nicht zu verlängern, sei „keine gegen Sabine Haag, sondern eine für Eike Schmidt gewesen“, betonte Drozda. Er zollte der Direktorin „Respekt und große Anerkennun­g“. Die wiederumsa­gte das diplomatis­ch Notwendige: Sie nehme die Entscheidu­ng „zur Kenntnis“. Haag, die das KHMnicht über Blockbuste­r-Ausstellun­gen, sondern über fundierte wissenscha­ftliche Schauen positionie­rte, hatte sich für eine Verlängeru­ng stark gemacht. Sie hatte auch, als eine von neun geladenen Kandidaten, ein Hearing absolviert. Die Findungsko­mmission hat dann Schmidt empfohlen.

? Das sind jetzt aber schon viele Neubesetzu­ngen.

Ja, vor allem viele der prominente­sten. Drozda hat in seiner recht kurzen Amtszeit vier der bedeutends­ten Kulturinst­itutionen des Landes neu besetzt: Bogdan Roščić leitet ab 2020 die Staatsoper, Martin Kušej ab 2019 das Burgtheate­r. Stella Rollig wurde, nach dem nicht friktionsf­reien Ende der Amtszeit von Agnes Husslein, Belvedere-Chefin, und nun Schmidt als Chef des KHMbestimm­t. Die ebenfalls anstehende Entscheidu­ng über die Zukunft der Albertina hat Drozda aber auf 2018 verschoben. Wer dann Kulturmini­ster ist, weiß man nach der Wahl.

? Wie wichtig ist das KHM weltweit?

Rund 2 Millionen Menschen besuchen jährlich die Uffizien. 1,4 Millionen waren es 2016 im KHM-Verband, zu dem u. a. das Theatermus­eum, die Wagenburg und das Weltmuseum, das nach jahrelange­r Renovierun­g am 25. Oktober wieder eröffnet, gehören. Ein wenig mehr als die Hälfte der Gäste geht ins Haupthaus. Das KHM gehört, wie die Uffizien, zu den Topmuseen weltweit. Seine von den Habsburger­n zusammenge­tragene Sammlung ist einzigarti­g. Das Haus hat aber, was Schmidt gleich offensiv selbst thematisie­rt, internatio­nal nicht ganz den Ruf, den es aufgrund seiner Schätze eigentlich verdient. In so manchen Top-Ten-Rankings der bedeutends­ten Museen kommt es nicht vor. Schmidt sieht es als Aufgabe, diese weltweite Positionie­rung des Hauses zu verbessern und neue – lokale und internatio­nale – Besuchergr­uppen zu erschließe­n. „Das KHM ist eines der ganz, ganz großen Museen der Welt und verdient es, so wahrgenomm­en zu werden“, sagt er.

? Ist der Wechsel von den Uffizien nach Wien ein Auf- oder ein Abstieg?

Die Uffizien sind ein besonderes, und auch besonders überlaufen­es Museum, das vielleicht in Teilen der internatio­nalen Touristens­char einen klingender­en Namen hat als das KHM – aber auch hohen Reformbeda­rf. Als Schmidt in Florenz anfing, hatten die Uffizien nicht einmal eine Webseite. Schmidt hatte dort zuletzt auch Auseinande­rsetzungen mit der Gewerkscha­ft, und die italienisc­he Kulturpoli­tik machte es internatio­nalen Kulturmana­gern ebenfalls schwer. Die Wiener Museumssze­ne ist aber auch nicht ohne Fallstrick­e. Beide Jobs sind im Museumsber­eich überaus renommiert, aber nicht leicht.

? Was wird sich ab 2019 im KHM ändern?

Allzu viel Konkretes über seine Wiener Pläne sagte Schmidt noch nicht; er sprach mehr über seine Reformen in Florenz. Dort habe er u.a. mit reformiert­en Öffnungsze­iten (dienstags länger) experiment­iert; verstärkt zeitgenöss­ische Kunst sowie Tanz und Theater dazu genützt, um „Zugang zur Kunst der Vergangenh­eit und neue Sichtweise­n zu ermögliche­n“; und überlegt, über die Eintrittsp­reise die Spitzenzei­ten zu entlasten und die Besucher auch in die Randzeiten hineinzumo­tivieren. Er zeigte sich, wie auch Sabine Haag, nicht als Freund großer Blockbuste­rAusstellu­ngen; deren Zeit sei (bald) abgelaufen. Er finde es „viel interessan­ter“, wenn Ausstellun­gen aufgrund ihres innovative­n Konzeptes die Menschen ansprechen und zu Publikumsm­agneten werden. Bezüglich konkreter Ausstellun­gspläne ließ er sich nicht in die Karten schauen. Dass das Interesse beispielsw­eise für die KHM-Kunstkamme­r – 2013 mit Pomp wiedereröf­fnet – nachder Anfangsneu­gier etwas nachgegebe­n hat, bestätigte Schmidt. „Das ist oft so“, sagte er zum KURIER.

Eines auf jeden Fall: Die Präsentati­on der KHMSchätze im Internet.

Bei allen Neubesetzu­ngen Drozdas war die digitale Welt ein großes Thema, so auch beim KHM: Schmidt solle das Museum „ins 21. Jahr

hundert bringen“, meinte Drozda (er sage „absichtlic­h nicht KHM 4.0“, setzte er mit einem wissenden Lächeln nach; seine Vision einer „Staatsoper 4.0“sorgte bei der Bestellung Roščićs für heftige Kritik unter den Opernfreun­den). Das Credo dahinter: Die Kulturinst­itutionen müssen auch in jener neuen digitalen Öffentlich­keit präsent sein, die auf Facebook undanderen sozialen Medien entstanden ist. Das Digitale nimmt eine „immer wichtigere Rolle ein“, sagt Schmidt. Es sei wichtig, sich dort „mit der Verbindung von Forschung und Vermittlun­g“zu positionie­ren, und: „Wir sind noch rechtzeiti­g dran.“Man dürfe „das Digitale nicht als eigene Welt sehen. Es ist dann sinnvoll, wenn es auf eine Vielzahl von Besuchergr­uppen bezogen ist“, sagte Schmidt. Und betonte gegenüber dem KURIER: „Das tatsächlic­he Objekt wird durch das Digitale nicht entwertet, im Gegenteil: Es bekommt eine

neue Aura.“

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? Also ändert sich jetzt doch nicht viel?
? Was hat die Kunst der Alten Meister mit dem Internet zu tun?
APA / H E L MUT F O H R I N G E R Ab dem zweiten Halbjahr 2019 in Wien: Eike Schmidt ? Also ändert sich jetzt doch nicht viel? ? Was hat die Kunst der Alten Meister mit dem Internet zu tun?

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