Kurier (Samstag)

Am Monte Rosa ist nichts „wunderbar“

Bestseller aus Italien vergleicht das offene Aostatal mit dem Gefängnis Mailand

- – P.PISA

Eine Überraschu­ng aus Italien: Das einfache Leben in den Bergen mit Kühen und Käse zieht die Leute an ... zumindest beim Lesen.

Braucht man diese „Acht Berge“, wenn man eh schon Robert Seethalers Roman „Ein ganzes Leben“kennt, der seit 2012 in den Bestseller­listen ist?

Vermutlich hat man noch nicht verstehen wollen, sich an Kleinigkei­ten zu erfreuen und das Einfache zu suchen, damit sich so etwas wie Glück einstellt.

Also ja, bitte auch das Buch von Paolo Cognetti! Hier haben die Berge mehr Gewicht. Hier haben Frauen kein Gewicht, sie laufen bestenfall­s mit: Männerfreu­ndschaft ist dem Italiener mindestens so wichtig wie die Sehnsucht nach Gras und Stein, Schnee und Ziege.

Zweite Chance

Die Gelassenhe­it der Sprache ist ähnlich. Aber, trotz Premio Strega (das ist der berühmte italienisc­he Literaturp­reis), hat Cognetti nicht die Kraft in der Schlichthe­it, so gewaltige Emotionen auszulösen, wie es der Wiener Seethaler geschafft hat.

In „Acht Berge“wird verglichen: Aostatal mit Blick auf das Monte-Rosa-Massiv vs. Mailand.

Cognetti selbst ist ein Pendler und jeden Sommer in einer steinernen Hütte in der Gegend von Grana, um sich aufzutanke­n für den Winter in der Stadt.

Er erzählt – oft autobiogra­fisch – von zwei Buben, 13, 14 Jahre alt. Pietro verbringt, dank Vaters Drang raus aus dem „Gefängnis“Mailand in die Natur, die Sommerferi­en immer in den Bergen, wo Bruno die Kühe hütet.

Bruno wird immer dort bleiben (obwohl: so viel kann er dort gar nicht arbeiten, um Geld zu haben). Pietro wird später in die Ferne reisen.

Das Wiedersehe­n, 20 Jahre später: Pietros Vater stirbt, er hat dem Sohn am alten Urlaubsort der Familie ein Grundstück vererbt, eine Ruine mit einer Zirbelkief­er. Bruno hilft beim Hausbau. Zweite Chance für die unterbroch­ene Freundscha­ft ...

Wunderbar gelungen ist, dass nichts als „wunderbar“und „herrlich“beschriebe­n wird. Viel Landschaft wird beschriebe­n, aber Geröll ist Geröll, eine Rotbuche bleibt eine Rotbuche, und es kann finster und kalt und ungemütlic­h werden am Berg.

Noch wunderbare­r ist die Legende aus Nepal, die eingearbei­tet wurde. Sie hat nicht nur Poesie, sondern ist so schön kurz zum langen Nachdenken:

Im Zentrum der Welt steht ein mächtiger Berg, der Sumeru, umringt von acht nicht so hohen Bergen. Wer lernt mehr? Einer, der die niedrigere­n Berge bereist – oder den Sumeru erklimmt?

Bruno hat sich für den hohen Berg entschiede­n.

Man kann gar nicht sicher sein, dass er glücklich geworden ist.

 ??  ?? Paolo Cognetti: „Acht Berge“Übersetzt von Christiane Burkhardt. DVA. 256 Seiten. 20,60 Euro.
Paolo Cognetti: „Acht Berge“Übersetzt von Christiane Burkhardt. DVA. 256 Seiten. 20,60 Euro.

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