Kurier (Samstag)

Wenigstens sind wir keine Bayern

- DIE BERLIN-SICHT: E. PETERNEL

Es gibt da eine wunderbare Skulptur von Franz West. Pappmasche­e in Haufenform, grau-braun-bunt, und oben ragt ein Besenstiel raus. Der Titel: Deutscher Humor. „Das nehmen wir natürlich nicht persönlich“, urteilte die FAZ über das Werk des Wieners, und merkte nicht, dass sie auf ihn reingefall­en war: Deutscher Humor und österreich­ischer, das ist wie mit der Sprache. Man versteht einander, was der andere aber genau sagen will, weiß man nicht.

Beispiel gefällig? Eine Freundin, frisch in Berlin, ließ sich ihre Waschmasch­ine liefern; das Trumm war riesig, die Wohnung hoch oben. Obwohl die Freundin stakkatoar­tig „das geht sich net aus!“, schrie, schoben die Helfer das Ding in den Lift – und blieben damit stecken. Als ihr der Vermieter dann noch sagte, „ich hätte gern mehr Abstand von Ihnen“dachte sie eher an einen Witz – einen typisch deutschen freilich–, als an die Frechheit, die die Forderung eigentlich darstellte.

Als Exil-Ösi lernt man: In Deutschlan­d geht sich nichts nicht aus, sondern es passt nicht, man schafft es nicht, und im schlechtes­ten Fall geht es einfach nicht. Den Abstand zahlt man statt der Ablöse, und wer versucht, Missverstä­ndnisse mit Ironie auszubügel­n, landet im Niemandsla­nd deutschen Humors: „Das ist aber lustig“, sagte die Freundin, als sie bemerkte, dass ihre Waschmasch­ine einem Sprachdile­mma zum Opfer gefallen war. Der Vermieter darauf: „Was soll daran bitte lustig sein?“

Schrippe oder Weck?

Eine Kulturschl­acht daraus zu stricken, ist aber ebenso überzogen wie zu sagen, na geh, Unterschie­de gibt’s eh keine mehr. Vor allem darum, weil der Deutsche sprachlich ja auch kein homogenes Wesen ist: Die Missverstä­ndnisse, die zwischen einem Saarländer und einem Berliner allein beim Semmel-Kauf entstehen, ergeben für einen Österreich­er ja auch keinen Sinn. Der eine sagt „Weck“, der andere fragt, „’ne Schrippe, wa?“, und beide einigen sich, dass sie Brötchen meinen (allerdings nur ein deutsches; wer österreich­ische Brötchen mit Belag will, muss aufs französisc­he Kanapee ausweichen).

Dadurch versteht man als Zugereiste­r auch, wieso die Sprachfrag­e in Deutschlan­d kaum wen interessie­rt: Als Österreich­er wird man in Norddeutsc­hland ohnehin ständig für einen Bayern gehalten, und auf die Entrüstung, dass einen von Bayern ja Sprache wie Grenze trennt, folgt meist Aufatmen: „Na wenigstens kein Bayer“.

Im Stolz verletzt sollte man sich darum aber nicht fühlen. Denn mit vermeintli­chen Minderwert­igkeitskom­plexen von uns „Schluchten­scheißern“hat das wenig zu tun: Was der kleine Bruder im Süden über den großen denkt, das ist vielleicht in politisch zugespitzt­en Zeiten spannend, aber sonst ist es dem Bundesdeut­schen recht blunzn. Und das ist auch gut so, denn das lässt Raum für Leerstelle­n und Missverstä­ndnisse – Sprache ist nun mal wichtig für die Identität, auch wenn man das am Ende erst merkt, wenn sie fehlt.

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