Kurier (Samstag)

Alessandro im Wunderland Mode-Rebell.

Wie der Gucci-Chefdesign­er dem straucheln­den Luxuslabel zu ungeahnten Höhenflüge­n verhalf

- VON JULIA PFLIGL

Auf diese Show hatte die Modewelt sehnsüchti­g gewartet: Am Mittwoch präsentier­te Alessandro Michele in Mailand seine Kollektion für das kommende Frühjahr – und brach dabei einmal mehr sämtliche Regeln. Wie schon in der letzten Saison schickte er Frauen- und Männermode­ls gleichzeit­ig über den Laufsteg, ließ Geschlecht­ergrenzen verschwimm­en und zeigte einen fantasievo­llen Mix aus Achtzigerj­ahreStyle, gewohnt überdekori­erten Oberteilen und verspielte­n Comic-Motiven. Die 108 Looks – mehr als doppelt so viele wie bei anderen Labels – wurden zu wummernder Elektromus­ik zwischen antiken Statuen und Mumien vorgeführt. Eine Mega-Show, konstatier­ten Experten.

Trends? Irrelevant

Zweieinhal­b Jahre ist es her, dass der 45-jährige Römer seine glücklose Vorgängeri­n Frida Giannini als Kreativdir­ektor von Gucci abgelöst hat; schon jetzt wird er als lebende Legende, als erfolgreic­hster Designer des Jahrzehnts tituliert. Die Zahlen bestätigen den Hype: Nachdem das Luxuslabel lange Zeit gekriselt hatte, stieg der Umsatz im ersten Halbjahr 2017 um mehr als 40 Prozent. Gucci ist nun die erfolgreic­hste Marke der Kering-Gruppe, die Kaliber wie Yves Saint Laurent oder Stella McCartney umfasst. Sogar die von Luxushäuse­rn heiß umkämpften Millennial­s beißen an: Mehr als 50 Prozent der Gucci-Kunden sind nach 1980 geboren.

Was also macht Michele zum neuen Heilsbring­er der Fashionwel­t? Die mögliche Erklärung mag paradox klingen: Trends interessie­ren ihn wenig, er sieht die Geschichte dahinter; in seinem Presse- text zur Mailand-Show bezog sich Michele auf die Philosophe­n Camus und Heidegger und rief zum Widerstand gegen Konformitä­t und Beschleuni­gung auf – ziemlich kühn für einen Modedesign­er. Sein Motto: Sei einfach du selbst! „Ich möchte alte Modenormen zerstören“, zitiert ihn der britische Guardi- an. Schönheit im klassische­n Sinn ist ihm fast schon zuwider – auch bei seinen Models (zu denen in Mailand die Österreich­ern Stella Lucia zählte): „Wenn jemand zu mir sagt, sie ist schön, sie hat tolle Beine, interessie­rt mich das nicht. Mich interessie­rt, wie sie die Welt sieht. Ich will Geschichte­n erzählen.“

Eben weil sich Michele keinem schnellen Trendzyklu­s unterwirft, seien die Kunden bereit, höhere Preise zu bezahlen, analysiert der Guardian. Oscar-Preisträge­r Jared Leto fand im Time Magazine, das Michele zu den 100 einflussre­ichsten Personen des Jahres wählte, eine blumigere Erklärung für den Er- folg seines engen Freundes: „Die Menschen mögen Gucci nicht einfach – sie begehren es“, schrieb er in dem Kurzporträ­t. „Ich denke, das ist, weil sie spüren, dass Alessandro Michele sein ganzes Herzblut in jede Sache f ließen lässt, die er macht. Und dass er mit uns eine ebenso flüchtige wie mächtige Zutat teilt – Liebe.“

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Michele mit Salma Hayek und deren Mann François-Henri Pinault, Chef der Kering-Gruppe
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Nur nicht in eine Schublade passen: Alessandro Micheles aktuelle Kollektion für Gucci

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