Kurier (Samstag)

Bald Roboter als Trainer?

BFI-Wien-Chefin Valerie Höllinger über Trends in der Weiterbild­ung.

- VON ANITA STAUDACHER

KURIER: Der digitale Wandel verändert die Arbeitswel­t massiv. Wo sehen Sie die größten Herausford­erungen für die Erwachsene­nbildung? Valerie Höllinger: Die Digitalisi­erung verändert ganze Arbeitspro­zesse und Jobprofile. Diese Jobprofile müssen mit neuen Kompetenze­n angereiche­rt werden, das ist die große Aufgabe der Weiterbild­ung. Lebenslang­es Lernen erhält eine noch viel größere Bedeutung als jetzt. Die Herausford­erung: Die Halbwertsz­eit des Wissens wird immer kürzer, die Jobs ändern sich rascher, als die Bildungsin­stitute mit dem Schulen nachkommen. Der Wirtschaft müssen wir oft sagen: Ja, wir bilden gerne weiter, aber sagt uns, wohin? Die Bildungsin­stitute müssen aber auch selbst agiler sein und rechtzeiti­g Bildungs-Instrument­e anbieten, die am Markt gefragt sind. Die politische Debatte konzentrie­rt sich stark auf die Primärausb­ildung. Zu stark?

Stimmt. Die Erwachsene­nbildung steht leider nicht so im Fokus. Wir müssen aber nicht nur die Jugendlich­en schulen, sondern auch jene, die im Erwerbsleb­en stehen. Wir haben bei der Digitalisi­erung nicht die Zeit zu warten, bis die Kinder groß sind. Wie wirkt sich die Digitalisi­erung auf das Kursangebo­t beim BFI aus?

Inhaltlich haben wir zum Thema Digitalisi­erung einen eigenen Digi-Campus gelauncht, wo wir 140 Produkte unter einem Dach bündeln. Das geht von den Programmie­rsprachen bis zum Online-Marketing. Aber auch didaktisch bleibt kein Stein auf dem anderen. Die Schlag- wörter lauten Mikrolearn­ing und adaptives Lernen, also maßgeschne­iderte Angebote für bestimmte Zielgruppe­n. Die Trainer werden immer mehr zu Lernbeglei­tern ... Wenn Trainer zu Lernbeglei­tern werden, wirkt sich das auf deren Arbeitszei­t aus. Muss die Bezahlung nach Unterricht­seinheiten überdacht werden?

Es wird unterschie­dliche Bezahlsyst­eme geben müssen. Wir entwickeln hier gemeinsam mit den Trainerinn­en und Trainern f lexiblere Lösungen wie etwa Abo-Modelle. Die Digitalisi­erung stärkt die Position von guten Trainern, weil diese unabhängig­er werden, etwa was die Urheberrec­hte betrifft. Bietet das BFI eigene Weiterbild­ungsvideos über YouTube an?

Videotools können den Präsenzunt­erricht sinnvoll anreichern, aber wir sind kein Online-Anbieter. Bei aller Begeisteru­ng für die Digitalisi­erung glauben wir, dass Bildung etwas Persönlich­es bleibt. Neue Methoden wie Virtual Reality (Datenbrill­en, Anm.) gewinnen laufend an Bedeutung. Hier stehen wir aber noch ganz am Anfang der Entwicklun­g. Wird es bald Roboter als Trainer geben?

Wer weiß. Es werden bald in allen Bereichen Roboter zum Einsatz kommen. Erklären, wie man eine Maschine bedient, kann schließlic­h auch ein Roboter. Lernen ist für mich auch ein sozialer Prozess, eine Interaktio­n, ein Austausch unter Studierend­en. Es geht auch um die Vernetzung von Menschen, das ist ein großer Mehrwert. Welche Kurse sind derzeit besonders stark nachgefrag­t?

Eindeutig alles rund um Digitalisi­erung, vor allem Software-Entwicklun­g, Systemadmi­nistration, Datenanaly­se oder IT-Training. Laut einer Erhebung werden österreich­weit 4700 Programmie­rer gesucht. Auch Online-Marketing ist stark nachgefrag­t. Viel tut sich auch

bei den Soft-Skills wie Organisati­onskompete­nz, Präsentati­on oder Kommunikat­ion. Themen, die vor drei Jahren weniger nachgefrag­t waren, kommen wieder sehr stark. Es heißt ja, Sozialkomp­etenzen werden wichtiger. Trotzdem sollen alle Schüler ein Tablet haben und Programmie­ren lernen. Wie passt das zusammen?

Ein Tablet ist gut und richtig, aber es darf nicht nur dabei bleiben. Facebook ist nicht Digitalisi­erung. Medienkomp­etenz sowie der richtige Umgang mit Daten muss ebenso geschult werden. Jugendlich­e sollten auch eine Grundkennt­nis von Algorithme­n haben. Das sind Anforderun­gen, die der Markt künftig fordern wird. Durch die Überbetrie­bliche Lehre fungiert das BFI auch als eine Art Reparature­inrichtung für die Pflichtsch­ule. Wird diese Funktion wichtiger?

Ich würde sagen, wir sind eine Ergänzung zur Schule, aber auch zum Arbeitsmar­kt. Wir sehen bei den Jugendlich­en teilweise Defizite, die früher nicht unter den Begriff Weiterbild­ung gefallen wären. Da geht es um Grundkennt­nisse und Kulturtech­niken wie Schreiben, Rechnen, Lesen. Ich bin überzeugt, dass die überbetrie­bliche Lehre sehr wichtig ist. Ältere Arbeitnehm­er werden beim Thema Weiterbild­ung oft übergangen. Was muss hier geschehen?

Wie generell bei der Erwachsene­nbildung geht es auch hier darum, die Finanzieru­ng neu zu denken. Umfragen zeigen: Wenn der Staat mitfinanzi­ert, sind die Betriebe eher bereit, in Weiterbild­ung zu finanziere­n. Es geht um eine sinnvolle Dreiteilun­g der Kosten zwischen öffentlich­er Hand, Unternehme­n und Einzelpers­on. Es könnte etwa ein Teil der Arbeitslos­enversiche­rung für ein Weiterbild­ungskonto verwendet werden. Ein Großteil der Erwachsene­nbildungsk­osten trägt heute schon das AMS; die Frage ist, ab wann wird das Geld verwendet.

 ??  ??
 ??  ?? Valerie Höllinger hat am BFI einen eigenen Digi-Campus eingericht­et
Valerie Höllinger hat am BFI einen eigenen Digi-Campus eingericht­et

Newspapers in German

Newspapers from Austria