Kurier (Samstag)

Katzenjamm­erKatzenja­mmer

Es geht nur noch um Schmutzküb­el. Parteien fahren die Krallen aus. Inhalte bleiben auf der Strecke. Dabei haben viele Wähler längst die Nase voll.

- HELMUT BRANDSTÄTT­ER

Katzenjamm­er – wir haben dieses Wort verwendet, weil es sich gut illustrier­en lässt. Dabei ist alles noch viel schlimmer. Was wir im Moment erleben, ist keine kurze Niedergesc­hlagenheit, die schon wieder vorbeigeht. Wir sind in eine Krise der Demokratie geschlitte­rt, aus der noch niemand einen Ausweg zeigt. Beim Kater weiß man meistens noch, welche Mischung aus alkoholisc­hen Getränken zum Absturz geführt hat, aber hier liegt Multiorgan­versagen vor.

Natürlich hat alles mit dem Engagement Tal Silberstei­ns, des angebliche­n Datenspezi­alisten mit der wirklich großen Dreckschle­uder im Gepäck, durch SPÖ-Chef Christian Kern begonnen. Wer Silberstei­n nimmt, bekommt das ganze Paket, und dass Kern nichts davon gewusst habe, glaubt ihm fast die Hälfte der Österreich­er auch nicht. Aber Silberstei­n und seine üblen Methoden sind in ein politische­s Klima des Misstrauen­s gestoßen, wo SPÖ und ÖVP einander nur mehr belauert haben, wo auf vielen Websites bereits Schmutz produziert wurde, wo Facebook sich für viel Geld anbot, Lügen, Hetze und Antisemiti­smus zu verbreiten. Heimlich und anonym, Hauptsache, die (steuerfrei­e) Kasse stimmt.

Aktion Österreich ehrlich

Wäre Österreich ein Unternehme­n in der Krise, würde der gesamte Vorstand antreten, Schuld eingestehe­n und Besserung geloben. Das könnte ungefähr so aussehen:

– Christian Kern erklärt, was ohnehin viele glauben, dass er Silberstei­n natürlich auch wegen dessen ebenso bekannten wie umstritten­en Methoden verpflicht­et hat, und entschuldi­gt sich bei allen Österreich­ern.

– Sebastian Kurz klärt, ob ÖVP-Funktionär­e das persönlich­e Umfeld der Familie Kern untersucht haben.

– Heinz-Christian Strache lässt ermitteln, welche seiner Funktionär­e immer wieder am braunen Rand kratzen, und wirft sie endlich hinaus.

– Alle drei verspreche­n gemeinsam mit Ulrike Lunacek, Matthias Strolz und Peter Pilz, dass sie künftig unmittelba­r alle Einnahmen und Ausgaben ihrer Parteien online stellen und dem Rechnungsh­of zur Überprüfun­g melden. Und alle Parteichef­s, insbesonde­re die der drei Großen, geloben, dass sie nie wieder versuchen werden, sich mit Steuergeld positive Berichte am Gratisboul­evard zu kaufen oder es melden würden, sollten sie dazu genötigt werden.

Die Aufarbeitu­ng der letzten Monate wird mühsam werden. Mit Ehrlichkei­t hätte die Politik eine kleine Chance, aus dieser Krise wieder herauszuko­mmen.

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Noch nie war ein Wahlkampf so sehr zerstöreri­sch. Wahre Demokraten müssten jetzt zusammenst­ehen.

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