Kurier (Samstag)

Kindern wird Politik zu kindisch

Dirty Campaignin­g und Dauerstrei­t im Wahlkampf: Was Schüler darüber denken

- VON RAFFAELA LINDORFER FOTOS GERHARD DEUTSCH

„Es ist alles sehr verwirrend.“Dunja ist erst 13 Jahre alt, aber sie bringt auf den Punkt, wie es vielen Erwachsene­n gerade geht. Dirty Campaignin­g, gegenseiti­ges Anpatzen, Dauerstrei­t zwischen den beiden Großpartei­en – dieser Wahlkampf ist wahrlich kein Kindergebu­rtstag.

Obwohl: Kindisch ist das, was gerade in der österreich­ischen Innenpolit­ik abläuft, durchaus, finden die Schüler, die der KURIER am Freitag bei einem Workshop in der Demokratie­werkstatt des Parlaments besucht hat.

Laurenz, der die 2. Klasse eines Wiener Gymnasiums besucht, erklärt sich das Verhalten der Polit-Spitze so: „Sie machen den anderen schlecht, damit sie selber besser dastehen.“Und die anderen Kinder ringsum ergänzen: „Dabei weiß doch jeder, dass man das nicht tut.“

„Es ist es trotzdem wert“

In der Demokratie­werkstatt – 2007 gegründet von der mittlerwei­le verstorben­en Nationalra­tspräsiden­tin Barbara Prammer – werden Kindern von acht bis 14 Jahren in verschiede­nen Workshops Themen wie Demokratie, die Geschichte der Republik und der Umgang mit Medien nahegebrac­ht.

Gerade jetzt, in Wahlkampfz­eiten, wäre so mancher Erwachsene­r dort gut aufgehoben. „Viele verstehen nicht, was da passiert und wenden sich ab“, sagt Leiterin Elisabeth Schindler-Müller – und meint damit Menschen jeden Alters. „Wir versuchen den Kindern zu vermitteln, dass es die Sache wert ist, wenn man sich trotzdem damit beschäftig­t. Wenn man etwas nicht versteht, ist die Gefahr groß, dass man aus einer Emotion heraus entscheide­t.“Wesentlich sei dabei, dass sich die Kinder die Themen selbst erarbeiten und nicht einfach als Lernstoff „serviert“bekommen.

Oder, wie Leonie es ausdrückt: „Es ist wichtig, sich eine eigene Meinung zu bilden und nicht alles zu glauben“– nicht einmal, wenn es die eigenen Eltern sagen.

„Mehr Ferien für Eltern“

Wählen dürfen die Kinder hier erst in ein paar Jahren, drücken aber schon jetzt recht klar aus, welche politische­n Themen ihnen unter den Nägeln brennen.

Elena fällt zum Beispiel auf, dass ihr Vater viel arbeitet und „immer so bleich“sei. „Ich glaube, er braucht mehr Ferien.“Eltern sollten nur von 8 bis 16 Uhr arbeiten und im Sommer frei haben – beim Thema Arbeitszei­tverkürzun­g sind sich alle einig.

Stirnrunze­ln gibt es beim Wahlkampf-Dauerbrenn­er Integratio­n und Asyl. „Jeder soll sich doch kleiden, wie er will“, meint Leonie zum Burka-Verbot, das am 1. Oktober in Kraft getreten ist. Basmala ärgert es, wenn Frauen, die ein Kopftuch tragen, oder Menschen mit dunkler Hautfarbe, auf der Straße „komisch angeschaut“werden. „Wenn man Ausländern das Gefühl gibt, dass dieses Land sie hasst, fühlen sie sich wie Außenseite­r“, erklärt Marina – und fügt besorgt hinzu: „Dann gehen sie vielleicht zu ISIS, oder wie das heißt.“

Es gebe Menschen, die es in Österreich schwerer haben als andere, sprechen die Kinder an – denen müsse man hel-

Laurenz aus einer 2. Klasse im Gymnasium fen. Obwohl es da einen Einwand gibt: Ein paar Armen könne manimmerhe­lfen, aber wenn es sehr viele sind, werde die Sache komplizier­t.

Eine Anregung gibt Basmala den Politikern für ihre nächsten Reden mit: „Sie sollten vielleicht erwähnen, dass alle Menschen gleich sind und man niemanden diskrimini­eren darf.“Ob Österreich­er, Ausländer, Mann, Frau – ganz egal.

Ihr Wunsch an die Politik: „Fair sein, dem anderen eine Chance geben.“Elena hielte es überhaupt für „perfekt“, wenn nach der Wahl „alle Parteien zusammenhe­lfen“und jetzt, im Wahlkampf, nachdenken, bevor sie etwas verspreche­n. „Weil sie vieles sicher nicht einhalten können.“ Gestern präsentier­te die SPÖ die letzte Plakatwell­e vor dem Urnengang. Der Slogan „Gemeinsam kommen wir weiter“. Die optimistis­che Botschaft trotz der aktuellen Schlammsch­lacht wird mit Bundeskanz­ler Christian Kern und einem Kind auf seinen Schultern, das nach einem Luster greift, am Plakat dargestell­t. „Denn bei der Wahl am 15. Oktober geht es um eine Richtungse­ntscheidun­g für die Zukunft unseres Landes und seiner Kinder“, sagt Kern. Die letzten 36 Stunden bis zur Schlusskun­dgebung in Wien werden Neos-Spitzenkan­didat Matthias Strolz und Irmgard Griss durch Österreich touren. Unter dem Motto „Tempo statt Taktik und Freiheit statt Filz“werden Strolz und Griss von Dornbirn (Strolz) und Graz (Griss) aus über Salzburg mit mehreren Stopps nach Wien reisen. Verfolgen kann man die Tour ab Freitag, den 13. Oktober, in der Früh via Social Media auf Facebook, Instagram und Twitter. Am Samstag geht es in einem pinken „Zukunfts-Wagen“zum Wiener Westbahnho­f, wo die Wiener Listenerst­e Beate Meinl-Reisinger den Wahlkampf-Tross gegen 13.30 h in Empfang nehmen wird. Mit „Mein Kapfenberg“präsentier­t Peter Pilz sein erstes persönlich­es Video. Er erzählt von seiner Kindheit und Jugend in der Böhlerstad­t: Über harte Arbeit im Stahlwerk, über seinen ersten Schulstrei­k und warum er heute so einen großen Bewegungsd­rang hat. Die siebente ORF- Konfrontat­ionen zwischen der GrünenSpit­zenkandida­ten Ulrike Lunacek und Neos- Chef Matthias Strolz am Donnerstag­abend verfolgten bis zu 506.000 Politikint­eressierte. Anlässlich der jüngsten Facebook-Affäre im Wahlkampf hat die Greenpeace-Initiative Netpeace politische Parteien zur Unterzeich­nung eines Fairness- und Transparen­zpaktes aufgeforde­rt. Bereits unterschri­eben haben die Grünen, Neos und Liste Pilz. Von SPÖ, ÖVP und FPÖ gibt es derzeit noch keine offizielle­n Stellungna­hmen.

„Sie machen den anderen schlecht, um selber besser dazustehen. Aber das tut man nicht.“

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In Workshops in der Demokratie­werkstatt des Parlaments erarbeiten Kinder im Alter von acht bis 14 Jahren selbst politische Themen. Der KURIER hat sie besucht
 ??  ?? Eine 2. Klasse im Gespräch mit KURIER-Redakteuri­n Raffaela Lindorfer
Eine 2. Klasse im Gespräch mit KURIER-Redakteuri­n Raffaela Lindorfer
 ??  ?? Adele und Karo wünschen sich mehr Fairness und Chancen für alle
Adele und Karo wünschen sich mehr Fairness und Chancen für alle
 ??  ?? „Es ist alles sehr verwirrend“, spricht Dunja vielen aus der Seele
„Es ist alles sehr verwirrend“, spricht Dunja vielen aus der Seele
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Angeboten werden Workshops zu Demokratie und Medien

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