Kurier (Samstag)

„Der Terror in Europa geht erst in die zweite Phase“

Experte. Wenig Gegenwehr in sozialen Medien

- – DOMINIK SCHREIBER

„Wenn ich heute in den sozialen Medien schreibe: Kann mir jemand den Islam erklären? Dann bekomm ich Dutzende Antworten von Radikalen, aber keine von Gemäßigten“, warnte der OSZESonder­beauftragt­e Peter Neumann am Freitag bei einem Expertengi­pfel im Wiener Innenminis­terium. Nicht nur deshalb erwartet Neumann, dass der Terror in Europa vorerst noch zunimmt. „Größere und vernetzter­e Anschläge werden meistens von Leuten begangen, die schon im Ausland gekämpft haben“, betont der Experte. Ein Beispiel dafür sei Osama Bin-Laden, der als Foreign Fighter in den 80erJahren nach Afghanista­n ging und danach das TerrorNetz­werk El Kaida aufbaute.

Tausende dieser Kämpfer werden nach Europa zurückkehr­en, wenn der sogenannte Islamische Staat (IS) in den kommenden Monaten militärisc­h besiegt sein wird. „Auch bei El Kaida dachte man, dass das zu Ende ist. Es war aber nur eine Organisati­on geschlagen und nicht die Bewegung dahinter“, sagt Neumann. Dieser Fehler dürfe keinesfall­s wiederholt werden, gerade jetzt sei der Dschihadis­mus am Scheidepun­kt.

Für die Prävention benötigt es aber auch die Bevölkerun­g in Europa, die vor allem bei der Integratio­n offen sein müsse. Der Staat könne da nur bedingt helfen. Genau hier versuchen die Terrormili­zen aber zu polarisier­en und die Menschen dazu zu bringen, den Islam auszugrenz­en. Dies würde dann dazu führen, dass wieder neue Terroriste­n rekrutiert werden. Für den IS ideal.

„Instrument­alisiert“

„Die Religion wird instrument­alisiert, aber von dort ist das gar nicht ableitbar“, betonte auch Innenminis­ter Wolfgang Sobotka in seiner Eröffnungs­rede. Er forderte von der Bevölkerun­g, „vom Wegschauen zum Hinschauen“zu kommen. Die Wohlstands­gesellscha­ft habe sich „auf einen Logenplatz zurückgezo­gen.“Prävention sei eine ganz wichtige Sache.

Das betonte auch Michaela Kardeis, die Generaldir­ektorin für die Öffentlich­e Sicherheit: „In Österreich gibt es aktuell 147 Foreign Fighters und bisher wurden bei der Deradikali­sierungsho­tline 2026 Anrufe gezählt.“Auch deshalb habe der Verfassung­sschutz im Vorjahr ein eigenes Prävention­sreferat gegründet.

Neumann glaubt, dass auch die im IS-Gebiet aufgewachs­enen Kinder bei ihrer Rückkehr zu Problemfäl­len werden könnten. Bereits ab einem Alter von neun Jahren wurden sie zum Kampf eingezogen und viele sahen Kampfszene­n und sogar Hinrichtun­gen.

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Erwartet wird zunächst eine Zunahme der Anschläge
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Experte Peter Neumann warnt vor Fehlern der Vergangenh­eit

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