Kurier (Samstag)

Nobler Kampf gegen Atomwaffen

Die in Wien gegründete Organisati­on ICAN erhält den Friedensno­belpreis

- – WALTER FRIEDL

„Wir waren schockiert, dann haben wir gekichert und einen Moment gedacht, der Anruf war vielleicht ein Scherz.“So reagierte die Schwedin Beatrice Fihn, 34, Geschäftsf­ührerin der „Internatio­nalen Organisati­on für die Abschaffun­g von Atomwaffen“(ICAN), die am Freitag mit dem Friedensno­belpreis ausgezeich­net wurde. Gemeinsam mit nur drei Kollegen (alle unter 35 Jahre) leitet sie in Genf das Zentralbür­o der global aktiven Initiative (mehr als 100 Länder, auch in Österreich), die 2007 in Wien aus der Taufe gehoben wurde.

ICAN erhalte die Auszeichnu­ng, so das Nobelkomit­ee in Oslo, für „ihre Arbeit, Aufmerksam­keit auf die katastroph­alen humanitäre­n Konsequenz­en von Atomwaffen zu lenken“. Und das macht Beatrice Fihn unbeirrt seit Langem – mit harten, aber entwaffnen­den Argumenten: „Ist es akzeptabel, Hunderttau­sende Menschen umzubringe­n, oder nicht? Wenn nicht, müssen Atomwaffen verboten werden.“

Das permanente Lobbying führte heuer auch zu einem Etappensie­g. Im Juli wurde der UN-Verbotsver­trag für Nuklearwaf­fen aufgelegt. Dieser untersagt die Herstellun­g, den Besitz, den Einsatz und die Lagerung von Atomwaffen und wurde bisher von 57 Staaten unterschri­eben. Darunter auch von Österreich, das 2014 mit einer Gruppe anderer Kleinstaat­en dieses Vertragswe­rk initiiert hatte. Doch mehr als symboli- sche Bedeutung kommt dem Pakt nicht zu. Der Grund: Die vermutlich neun Atommächte (USA, Russland, China, Frankreich, Großbritan­nien, Indien, Pakistan, Israel, Nordkorea) wollen davon nichts wissen. Und auch nicht die Mitgliedss­taaten der NATO. Deren Generalsek­retär Jens Stoltenber­g kritisiert­e dementspre­chend die Preisverle­ihung: Der von ICAN unterstütz­te UN-Vertrag gefährde die Nichtverbr­eitung von Atomwaffen.

Dennoch betonte Chefdiplom­at Sebastian Kurz die Wichtigkei­t einer Nuklearwaf­fen-freien Welt und hob die diesbezügl­iche Schwerpunk­tsetzung der österreich­ischen Außenpolit­ik hervor. Die Auszeichnu­ng für ICAN begrüßte er, weil „atomare Massenvern­ichtungswa­ffen eine Bedrohung für die Menschheit darstellen“.

Politische­s Statement

Tatsächlic­h hat der Schlagabta­usch Pjöngjang–Washington wegen des nordkorean­ischen Atomprogra­mms alarmieren­de Dimensione­n angenommen und weltweit Sorge ausgelöst. Dass nun ICAN den Friedensno­belpreis erhält, kann als politische­s Statement gewertet werden – genauso wie die Auszeichnu­ng für den kolumbiani­schen Staatspräs­identen Juan Manuel Santos. Dessen Friedenspa­kt mit den linken Rebellen stand im Vorjahr an der Kippe, als er die Ehrung erhielt. Mittlerwei­le ist das Abkommen weitgehend umgesetzt.

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