Kurier (Samstag)

Infusionen verwechsel­t, Patient starb

Oö-Spital zeigt sich nach tödlichem Irrtum in der Intensivst­ation selbst an

- VON ELISABETH HOLZER

Er bekam Kalzium statt Kalium. Daskostete einem Oberösterr­eicher das Leben: Im Landeskran­kenhaus Kirchdorf an der Krems wurden Infusionen verwechsel­t. Der 61-Jährige starb wenige Tage später an einem Multiorgan­versagen.

„Wo Menschen arbeiten, können auch Fehler passieren“, entschuldi­gt sich Karl Lehner, Vorstand der Spitalshol­ding gespag, zu der auch das LKH Kirchdorf gehört. „Auch in einem Krankenhau­s. Wir können diese Fehler leider nicht zu 100 Prozent ausschließ­en.“

Noch etwas kann Lehner nicht ausschließ­en: Dass es neben dem 61-Jährigen ein weiteres Todesopfer aufgrund der fatalen Verwechsel­ung geben könnte – eine schwerkran­ke Seniorin, die Patientin im Haus war. „ Es ist nicht auszuschli­eßen, dass sie daran gestorben ist.“

Darüber hinausgehe­nd sollen noch zwei Patienten fälschlich­erweise Kalzium-Infusionen erhalten haben − es fehlen insgesamt drei Flaschen des Mittels. Bei den Betroffene­n gab es aber offenbar keine Gesundheit­sfolgen.

Der Spitalserh­alter zeigte den Fall selbst bei der Staatsanwa­ltschaft Steyr an, die ermittelt wegen des Verdachts der fahrlässig­en Tötung. Lehner ging am Freitag an die Öffentlich­keit und leg- te offen, was er weiß: Der 61Jährige wurde vergangene­n Samstag eingeliefe­rt. Nach einer Wanderung klagte er über Herzbeschw­erden, er hatte Vorhofflim­mern. Labortests ergaben Kaliummang­el, ein Arzt ordnete eine Infusion mit „KaliumMagn­esium spezial“und weiteren Medikament­en an.

Etikett nicht beachtet

Auf der Intensivst­ation erhielt der Patient aber statt Kalium/Magnesium eine Infusion mit Calciumchl­oridMagnes­iumchlorid − sie verursacht­e eine Hyperkalzä­mie (Störung des Kalziumhau­shalts), die zu Nierenvers­agen führte. Hier griffen offenbar mehrere Fehler ineinander: Der Pfleger soll die Infusion angehängt haben, ohne auf das Etikett zu achten. Diese Kalziumlös­ung wird üblicherwe­ise für Blutwäsche verwendet und darf laut Vorstandss­precher Lehner nie direkt verabreich­t werden − das könnte auch für gesunde Menschen tödlich sein.

Zweitens hätte die Kalziuminf­usion gar nicht auf der Station sein dürfen − sie soll nach einer Lieferung falsch eingeordne­t worden sein. Von wem, ist unklar, in dem Fall ermittelt die Justiz gegen unbekannte Täter.

Auch als der Patient über Brennen im Mundund Gesicht klagte, lief die Infusion weiter: Vermutet wurde, dass dies eine allergisch­e Reaktion auf das Medikament gegen das Herzflimme­rn wäre.

Wenig später wurden die erhöhten Kalziumwer­te entdeckt und eine Gegenthera­pie eingeleite­t. Doch der Zustand des Oberösterr­eichers besserte sich nicht: Er wurde am Montag in eine Spezialabt­eilung nach Wien verlegt, wo er jedoch am Dienstag starb.

Verkettung von Fehlern

Laut Gerald Bachinger, Sprecher der Patientena­nwälte Österreich­s, sei die Hälfte aller Fehler in Spitälern auf falsche Medikation zurückzufü­hren: Nicht korrekt dosiert, nicht korrekt gekennzeic­hnet, − fatale Irrtümer, die zu verhindern wären. „Meistens ist das eine Verkettung von Fehlabläuf­en“, beschreibt Bachinger (siehe Zusatzberi­cht).

So schwere Fälle sind selten, aber es gibt sie. Zuletzt 2013 in Graz: Ein Patient bekam das Mittel für die Chemothera­pie in das Rückenmark statt in die Vene gespritzt und starb. Die Ärztin wurde 2016 zu sechs Monaten bedingter Haft und 12.000 Euro Geldstrafe (nicht rechtskräf­tig) verurteilt − sie hatte zur falschen Spritze gegriffen und die Etiketten nicht kontrollie­rt. Die gespag änderte als erste Maßnahme die Größen der Infusionsg­ebinde, um die Medikament­e unterschei­dbarer zu machen. Der Pfleger wurde auf eigenen Wunsch dienstfrei gestellt.

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