Kurier (Samstag)

Alles TV-Show – oder war da noch etwas?

- JOSEF VOTZI

Ist es auch Ihnen passiert? Sie schalten diese Woche ihr TV-Gerät für eines der Politiker-Duelle im ORF ein und vermissen etwas. Wo bleibt heute das Geschenk, das die beiden zuvor immer dabei gehabt hatten? Puls4 ist da mehr als ein neuer Gag gelungen. – Im TV-Wahlkampf wurden neue Maßstäbe gesetzt. Wer wem was wie schenkt, sagt oft mehr als tausend Diskussion­sworte. Die ORF- Duelle nehmen sich vergleichs­weise behäbig und bieder aus. Der Privatsend­er bot viele Innovation­en. Die Debatten gerieten so lebendiger und bunter.

Aber wie schlugen sich die sechs aussichtsr­eichsten Spitzenkan­didaten generell im Wahlkampff­inale? – Christian Kern lieferte den turbulente­sten Wahlkampf. Mal Pizzaboy, mal Staatsmann; mal Stammtisch-Nicker, mal Visionär. Der SPÖ-Chef schlüpfte derart oft in eine andere Rolle, dass er zu Beginn des Wahlkampfs immer weniger greif bar wurde. Erst in den finalen TV-Debatten fand er wieder mehr zu sich selber: Ein Ex-Manager, der auch im Land gerne den Ton angeben würde. – Sebastian Kurz lieferte den durchinsze­niertesten Wahlkampf. Alles türkis, alles Sebastian und über allem allein ein Motto: Ich habe gegen viele Widerständ­e die Mittelmeer­route geschlosse­n. Lasst mich in dem Stil auch als Bundeskanz­ler nur machen. Die Affäre Silberstei­n brachte den SPÖChef schwer ins Schleudern, aber auch die türkise Kampagne kurz außer Tritt. – HC Strache lieferte den überrasche­ndsten Wahlkampf. Persönlich bis auf einige Durchhänge­r in seinen Auftritten präsentier­te sich der FPÖ-Chef betont gelassen, fast staatsmänn­isch. Seine Botschafte­n waren nicht neu, nur weicher verpackt. Für nachhaltig­es Aufsehen sorgten die handwerkli­ch perfekten Videos der FPÖ – mit hintergrün­digem Schmäh statt vordergrün­diger Schmähung. – Matthias Strolz lieferte Pink Panther pur. Dort, wo er selbst auftrat, standen ihm auch die eigenen verkopften Plakate in Spiegelsch­rift nicht im Weg. Ein Politiker im DuracellHa­sen-Modus. Das kann anstecken oder nerven, kalt lässt es keinen – mehr kann ein Kleinparte­ichef nicht wollen. – Ulrike Lunacek lieferte den einsamsten Wahlkampf. Sie hatte als Kandidatin den schwersten Start. In einen längst laufenden Wahlkampf einzusteig­en, überforder­t anfangs jeden. Lunacek wurde dieses Handicap bis zum Zieleinlau­f nicht los. Sie schaffte es weder in ihrer Wahlkampag­ne noch in ihren TV-Auftritten – bis auf einen lucky Punch gegen Kurz – nachhaltig sichtbar zu werden. – Peter Pilz lieferte Pilz pur. Er bot nun mit eigener Liste die gleiche One-Man-Show, für die er als Grüner stand. Mit dem geringsten Wahlkampfb­udget machte er den weitaus größeren Wirbel als seine Parteifreu­nde von gestern.

Enttäusche­nd bleibt aber, dass die Diskussion­sflut im TV fast alle Kandidaten dazu verleitete, ihre Energie spätestens am Schluss nur noch darauf zu konzentrie­ren, wie sie über die Fernsehbüh­ne kommen. In der Sache wurden so allein die ewig gleichen Argumente ausgetausc­ht. Kein Einziger setzte ein neues diskussion­swertes Thema.

In die Tiefe diskutiert wurde bis zuletzt nicht. Darüber wird nach der Wahl dringend noch zu reden sein.

 ??  ?? Bilanz eines Marathon-Wahlkampfs, den ein paar Personen, viele Pannen und eine Bühne dominierte­n.
Bilanz eines Marathon-Wahlkampfs, den ein paar Personen, viele Pannen und eine Bühne dominierte­n.

Newspapers in German

Newspapers from Austria