Türkiser Spagat
Kurz.
Im Mai übernahm RhetorikTalent Sebastian Kurz die Volkspartei, färbelte die „neue Bewegung“kurzerhand türkis um und brach Neuwahlen vom Zaun. Seither liegt er in allen Umfragen auf Platz 1. Gut möglich also, dass der 31-jährige Außen-, EU- und Integrationsminister der nächste Kanzler wird.
In drei Teilen hat Kurz sein Programm präsentiert, das er selbst als „liberal“und „christlich-sozial“bezeichnet. Ein klarer Schwerpunkt des Chefs der konservativen Wirtschaftspartei liegt im Bereich Entlastung & Reformen (Verwaltung, Förderungen, Sozialversicherungen).
Einen zweiten Schwerpunkt bildet – den Erfahrungen mit dem Flüchtlingsansturm 2015 geschuldet – die Zuwanderungspolitik.
Hier trommelte Kurz wieder und wieder das Schließen der Westbalkan-Route und das erhoffte Schließen der Mittelmeer-Route. Beides steht für seine restriktivere Asylpolitik, die die Zuwanderung auf ein Minimum reduzieren will. Das Kürzen von Sozialleistungen für Flüchtlinge (560 Euro als „Mindestsicherung light“) gehört da ebenso dazu, wie der Zugang zu Sozialleistungen in Österreich erst nach einem fünfjährigen Aufenthalt.
Kurz besetzt gewissermaßen die politische Mitte, in dem er linke wie rechte Positionen vereint. In der Flüchtlingspolitik finden sich starke Überschneidungen mit der FPÖ, im Wirtschafts- und So- zialbereich finden sich auch durchaus Ähnlichkeiten mit der SPÖ. Die höhere Pensionsanpassung für 2018 oder die Abschaffung des Pflegeregresses beschloss Kurz gemeinsam mit SPÖChef Christian Kern. Nur dessen Erbschaftssteuer lehnt er strikt ab.
Als erste Maßnahme, sollte er Kanzler werden, will Kurz den Familienbonus von 1500 Euro pro Kind umsetzen (Kostenpunkt: Zwei Milliarden). Danach – und immer erst wenn die Gegenfinanzierung steht – geht er die Reduktion der unteren Tarifstufen in der Lohn- und Einkommensteuer an. Das verschlingt weitere drei bis vier Milliarden Euro.
Doch kein Geschenk
Mit diesem Stufenplan nahm Kurz seinem schärfsten Kritiker Wind aus den Segeln. Kern hat das schwarze Entlastungsprogramm mit einem Gesamtvolumen von 12 bis 14 Milliarden Euro stets als völlig utopisch gebrandmarkt. Die als Geschenk an die Großspender heftigst kritisierte Streichung der Steuer auf nicht entnommene Gewinne, schiebt Kurz also auf die lange Bank.
Bei anderen Themen ist Kurz mit seinem Nein zur Homo-Ehe aufgefallen, er ist gegen allzu viel Gesamtschule, will aber Deutsch vor Schuleintritt und eine Bildungspflicht bis 18 durchsetzen. Das bedeutet: Künftig sollen nur junge Menschen das Schulsystem verlassen, die auch lesen, schreiben und rechnen können.