Droht Öxit-Abstimmung durch die Hintertür?
Demokratiereform. FPÖ und ÖVP wollen Automatismus für Volksabstimmungen. Dies könnte einer Abstimmung über den EU-Austritt die Tür öffnen.
261.159 Mal Ja zum Öxit – das war das Ergebnis eines Volksbegehrens vor zwei Jahren, das den Austritt Österreichs aus der Europäischen Union zum Ziel hatte. Wie das bei derzeitiger Rechtslage geboten ist, blieb das Begehr abgesehen von einer eher kursorischen Behandlung im Parlament ohne Folgen, zu einer bindenden Volksabstimmung über den Öxit kam es nicht.
Geht es nach der FPÖ, soll sich das ändern: Die Blauen legten in ihrem Wahlprogramm ein Konzept vor, laut dem ein Volksbegehren automatisch in eine Volksabstimmung münden soll, wenn es mindestens vier Prozent der Wahlberechtigten unterschrieben haben und dessen Begehr im Parlament nicht umgesetzt wird. Sprich: Wenn rund 250.000 Menschen – was beim Öxit-Volksbegehren lange vor der Asylkrise der Fall war – unterschreiben, wird vorbei an den Mehrheiten im Hohen Hauses darüber abgestimmt – in diesem Fall wäre es also zu einer Volksabstimmung über den EU-Austritt gekommen.
Ein klares Mehr an direkter Demokratie, erklärte die FPÖ-Spitze mehrmals, sei letztlich die einzig wirklich zentrale Koalitionsbedingung der Freiheitlichen.
Auch ÖVP dafür
So weit, so bekannt. Was bisher allerdings eher unterging: Auch die ÖVP, die eine Koalition mit den Blauen ja keinesfalls ausschließt, hat einen solchen Automatismus in ihrem Programm stehen – wenn auch mit einer höheren Grenze: Unterschreiben zehn Prozent der Bevölkerung ein Volksbegehren, so der ÖVPPlan, soll dieses in eine Volksabstimmung münden, sofern es nicht vom Parlament umgesetzt wird. Völlig aus der Welt ist das Erreichen dieser Zahl nicht: Das vorgestern im Parla- ment behandelte Volksbegehren gegen den Handelspakt CETA wäre zum Beispiel nur knapp an dieser Grenze vorbeigeschrammt.
Verfassungsexperten sehen die Pläne von Schwarz und Blau kritisch: „Das ist durchaus gefährlich, vor allem mit einer Grenze bei lediglich vier Prozent der Wahlberechtigten“, warnt etwa Ludwig Adamovich, Ex-Präsident des Verfassungsgerichtshofes. Sollten die Pläne umgesetzt werden, wäre dies „ein gezielter Eingriff in das parlamentarische System und eine Abkehr von der repräsentativen Demokratie“, sagt er zum KURIER.
Mit seiner Kritik ist Adamovich nicht alleine. Auch Verfassungsrechtler BerndChristian Funk sieht die Pläne „sehr skeptisch“: Funk ist „kein Freund solcher Automatismen“, die derzeitigen Instrumente direkter Demokratie sind laut ihm „ausreichend“. Vor allem warnt der Experte vor einer Öxit-Abstimmung: „Man hat ja in Großbritannien gesehen, was da für Dynamiken entstehen und wo das letztlich alles hinführen kann.“