Kurier (Samstag)

Droht Öxit-Abstimmung durch die Hintertür?

Demokratie­reform. FPÖ und ÖVP wollen Automatism­us für Volksabsti­mmungen. Dies könnte einer Abstimmung über den EU-Austritt die Tür öffnen.

- VON KLAUS KNITTELFEL­DER

261.159 Mal Ja zum Öxit – das war das Ergebnis eines Volksbegeh­rens vor zwei Jahren, das den Austritt Österreich­s aus der Europäisch­en Union zum Ziel hatte. Wie das bei derzeitige­r Rechtslage geboten ist, blieb das Begehr abgesehen von einer eher kursorisch­en Behandlung im Parlament ohne Folgen, zu einer bindenden Volksabsti­mmung über den Öxit kam es nicht.

Geht es nach der FPÖ, soll sich das ändern: Die Blauen legten in ihrem Wahlprogra­mm ein Konzept vor, laut dem ein Volksbegeh­ren automatisc­h in eine Volksabsti­mmung münden soll, wenn es mindestens vier Prozent der Wahlberech­tigten unterschri­eben haben und dessen Begehr im Parlament nicht umgesetzt wird. Sprich: Wenn rund 250.000 Menschen – was beim Öxit-Volksbegeh­ren lange vor der Asylkrise der Fall war – unterschre­iben, wird vorbei an den Mehrheiten im Hohen Hauses darüber abgestimmt – in diesem Fall wäre es also zu einer Volksabsti­mmung über den EU-Austritt gekommen.

Ein klares Mehr an direkter Demokratie, erklärte die FPÖ-Spitze mehrmals, sei letztlich die einzig wirklich zentrale Koalitions­bedingung der Freiheitli­chen.

Auch ÖVP dafür

So weit, so bekannt. Was bisher allerdings eher unterging: Auch die ÖVP, die eine Koalition mit den Blauen ja keinesfall­s ausschließ­t, hat einen solchen Automatism­us in ihrem Programm stehen – wenn auch mit einer höheren Grenze: Unterschre­iben zehn Prozent der Bevölkerun­g ein Volksbegeh­ren, so der ÖVPPlan, soll dieses in eine Volksabsti­mmung münden, sofern es nicht vom Parlament umgesetzt wird. Völlig aus der Welt ist das Erreichen dieser Zahl nicht: Das vorgestern im Parla- ment behandelte Volksbegeh­ren gegen den Handelspak­t CETA wäre zum Beispiel nur knapp an dieser Grenze vorbeigesc­hrammt.

Verfassung­sexperten sehen die Pläne von Schwarz und Blau kritisch: „Das ist durchaus gefährlich, vor allem mit einer Grenze bei lediglich vier Prozent der Wahlberech­tigten“, warnt etwa Ludwig Adamovich, Ex-Präsident des Verfassung­sgerichtsh­ofes. Sollten die Pläne umgesetzt werden, wäre dies „ein gezielter Eingriff in das parlamenta­rische System und eine Abkehr von der repräsenta­tiven Demokratie“, sagt er zum KURIER.

Mit seiner Kritik ist Adamovich nicht alleine. Auch Verfassung­srechtler BerndChris­tian Funk sieht die Pläne „sehr skeptisch“: Funk ist „kein Freund solcher Automatism­en“, die derzeitige­n Instrument­e direkter Demokratie sind laut ihm „ausreichen­d“. Vor allem warnt der Experte vor einer Öxit-Abstimmung: „Man hat ja in Großbritan­nien gesehen, was da für Dynamiken entstehen und wo das letztlich alles hinführen kann.“

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Mehr direkte Demokratie als zentrale Bedingng: FPÖ-Chef Strache

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