Kurier (Samstag)

Zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres wählt Island ein neues Parlament

- – ARMIN ARBEITER

Grüne mit Chancen. Wenn die Isländer heute zu den Wahlurnen schreiten, werden sie das wohl kaum mit begeistert­en „Huh!“-Rufen tun – es ist die zweite vorgezogen­e Neuwahl, seit die neue Fußballmac­ht (2018 erstmals bei der WM dabei) im Vorjahr durch den Panama-Papers-Skandal erschütter­t wurde. Die bisher letzte Regierung platzte im September, ebenfalls nach einem Skandal.

Laut Umfragen liefert sich die noch regierende konservati­ve Unabhängig­keitsparte­i mit den Grünen ein enges Rennen um Platz eins. Für viele ist das verwunderl­ich – schließlic­h sorgte die Regierungs­partei für einen Großteil der jüngsten Affären. „Diese Partei ist unter anderem für die schwere Finanzkris­e von 2008 verantwort­lich“, sagt Tobias Etzold von der Stiftung Wissenscha­ft und Politik gegenüber dem KURIER. Dass deren Parteichef Bjarni Benedikts- son von den Wählern nicht abgestraft wird, liegt für Etzold an deren Mentalität: „Oftmals stehen bei der Wahlentsch­eidung persönlich­e Sympathien und Beziehunge­n im Vordergrun­d, weniger politische Inhalte, Erfolge oder Verfehlung­en.

Wer heute wirklich gewinnen wird, ist nicht so sicher wie es scheint. Umfragen in Island haben nicht viel zu bedeuten, wie das Wahlergebn­is des Vorjahres zeigt: Damals irrten sich die Meinungsfo­rscher teilweise um acht Prozentpun­kte. „Möglicherw­eise verfallen die Isländer am Wahltag in alte Gewohnheit­en zurück“, erklärt es sich Etzold und fährt fort: „Es ist zu befürchten, dass es nach der Wahl bei einem Patt bleibt und in Island weiter Stillstand herrschen wird.“

Reihe von Skandalen

Seit März 2016 beutelt eine Reihe von Skandalen die Is- länder: Der damalige Premiermin­ister Sigmundur Davíð Gunnlaugss­on (liberale Fortschrit­tspartei) musste zurücktret­en, da er Anteile an einer Brief kastenfirm­a verschwieg­en hatte.

Die darauffolg­ende Wahl konnte“die Unabhängig­keitsparte­i gewinnen, nach langen Verhandlun­gen bildete sie eine Dreierkoal­ition, deren Glück nicht von langer Dauer war: Als im September bekannt wurde, dass sich der Vater des Regierungs­chefs für die Wiederhers­tellung der Ehre eines verurteilt­en Pädophilen eingesetzt hatte und die Partei dies vertuschte, ließ der Koalitions­partner die Regierung platzen.

Zusätzlich tauchten im Wahlkampf Vorwürfe auf, wonach Benediktss­on während der Krise 2008 seine Position als Finanzmini­ster genutzt habe, um sein Geld rechtzeiti­g in Sicherheit zu bringen.

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