Für eine kindgerechte Welt
Irene Szimak ist die neue Spitze des SOSKinderdorfes. Und stellt sofort Forderungen auf
Irene Szimak ist die neue Chefin von SOS Kinderdorf Österreich.
Veränderung ist besonders schwierig, wenn etwas gut funktioniert. SOS-Kinderdorf beherbergt alleine in Österreich knapp 1800 Kinder und Jugendliche und betreut über 2600 Menschen bei familiären Problemen. Trotzdem verschrieb sich die Organisation einen Strukturwandel. Seit der Gründung verkörperten zwei Figuren die Idee, erst Hermann Gmeiner, dann Helmut Kutin: Führerfiguren mit quasi-religiöser Aufladung, weltweit anerkannt, Kriege erlebt, Menschenmengen begeistert. Am Donnerstag gab Kutin den Vorsitz von Kinderdorf Österreich nach31Jahrenab.
Seine Nachfolgerin Irene Szimak hat auch eine beeindruckende Biografie, aber anders: Studium, Karriereleiter bis ganz oben, jetzt Business Development und Lehrtätigkeit. Seit 2015 ist die Wienerin im Aufsichtsrat von SOS-Kinderdorf, nun dessen Vorsitzende. Und damit das Gesicht des vollzogenen Strukturwandels der Kinderorganisation. KURIER: Gmeiner und Kutin hinterließen verdammt große Fußstapfen, oder? Irene Szimak: Meine Rolle ist nicht dieselbe, ich kann das nicht so machen wie einer, der selbst aus demKinderdorf kommt. Die neue Struktur gibt eine klare Trennung zwischen operativer Geschäftsführung und der Arbeit des Aufsichtsrats vor. Sonst wäre meine Aufgabe zum Scheitern verurteilt. Wir üben die Aufsicht aus und geben Rat. Dafür wurdeeinegut gemischte Gruppe mit verschiedenen persönlichen Hintergründen in den Aufsichtsrat gewählt. NGOs leben aber von starken Figuren. Unter anderem, damit man kraftvoll Missstände ansprechen kann.
Das stimmt, und diese Verantwortung legen wir nun auf mehrere Schultern. Das ist eine Verteilung, aber auch eine Bündelung vieler Kräfte. Kann eine Managerin eine soziale Organisation führen? Geht es in der Wirtschaft nicht nur um Profit?
Ich stehe als Irene Szimak hier und nicht als Managerin, und habe auch beruflich immer nur gemacht, was ich mit dem Gewissen vereinbaren kann. Management heißt, dass es einen Plan und ein Ziel gibt, das man erreichen will. Die Kernidee des Kinderdorfes ist, dass es den Kindern gut geht. Dazu braucht es auch finanzielle Mittel. Und eine Überzeugung, das Richtige zu tun. Die richtigen Rezepte für die richtigen Probleme anzubieten. Was sind diese Probleme? Es wird derzeit oft das Gefühl erzeugt, alles bricht zusammen.
Österreich steht gut da und deswegen muss man schauen, dass es möglichst alle gut und sicher haben. Es kann ja nicht sein, dass es in diesem Land jemandem dauerhaft schlecht geht. Wir bli- cken besonders auf die Lebensumstände der Kinder. Teil des neues SOS-Kinderdorfes ist die kurzfristige, ambulante Betreuung von Familien.
Man muss Lösungen und Projekte für die wahren Probleme anbieten. Wir wollen noch mehr Kinder und Eltern unterstützen, dafür müssen wir die ambulanten Angebote ausbauen. Wir sind in der ursprünglichen Idee der Kinderdörfer sehr gut, die kurzfristige Begleitung von Familien stärken wir weiter. Damit können wir oft Krisensituationen lösen, bevor die Krisen groß werden. Klingt wie ein Aufruf an die Politik, die ambulanten Einrichtungen in Kinder- und Jugendpsychiatrie endlich zu stärken.
Entscheidend ist, Kinder ernst zu nehmen. Helmut Kutin hat das immer betont: Kindern auf Augenhöhe begegnen. Dazu gehört, Kinderrechte ernst zu nehmen, da werden wir weiterhin Forderungen aufstellen. Apropos Forderungen: Sie engagieren sich stark für berufliche Gleichberechtigung von Frauen. Noch ein weiter Weg, oder?
Das wird funktionieren, wenn wir die richtigen Rahmenbedingungen kriegen. Es müssen alle für möglich halten, dann ist es auch möglich. Es macht Hoffnung, dass junge Männer mehr und mehr dabei sind. Frauen, die es tun können, müssen andere unterstützen. Wir Älteren können bei so einer Veränderung beschleunigend wirken. INTERVIEW