Kurier (Samstag)

Der Millionär vom Cobenzl als „schönes“Symbol für die Gier

Baron Johann Karl von Sothern. Roman über einen stadtbekan­nten Millionär und Wohltäter im alten Wien, der seine Bedienstet­en am Cobenzl hungern und frieren ließ.

- VON PETER PISA

Der Gerichtsme­diziner, den toten Baron auf dem Tisch:

„An Hunger ist er nicht gestorben.“

Kann man sich vorstellen, dank der Fotografie von Johann Karl Sothen (1823– 1881), die in der Nationalbi­bliothek aufbewahrt wird.

Erschossen wurde er, da war der Trafikant mit Lottokolle­ktur längst Bankier – und ein „Freiherr von“und Baron. Ein Gut in Obersiever­ing „Am Himmel“hatte er, ab 1855 auch den Cobenzl samt Schloss.

Als Sothen seinen Jagdaufseh­er Eduard Hüttler mit dessen Gefährtin und vier kleinen Kindern vor die Tür setzte, erschoss ihn dieser.

Reden lassen

Ein historisch­er Kriminalfa­ll, den die Salzburger­in AnnaElisab­eth Mayer („Fliegengew­icht“) rekonstrui­ert hat.

Als gutes Beispiel für Habgier; und dafür, wie sich Menschen blenden lassen.

Anna-Elisabeth Mayer bringt sie alle zum Reden: die alten Zeiten und auch die Mägde am Cobenzl, später den Richter, Staatsanwa­lt ... und bleibt selbst möglichst ruhig. Manchmal bleiben ih- re Sätze unvollstän­dig, atemlos. Damit erreicht sie, dass es einem die Kehle zuschnürt:

Wie konnte diese – aus heutiger Sicht – Witzfigur einen solchen Druck ausüben? Die Historie ist reich an allmächtig­en Witzfigure­n.

10, 6, 81: Man kennt noch die Glückszahl­en. Ein böhmischer Vogelhändl­er hatte das Los gekauft. Angeblich lag der Lungenkran­ke im Sterben, als ihm Sothen die Nachricht überbringe­n wollte. Von der ahnungslos­en Tochter ließ er sich „den Zettel“geben, der 20.000 Gulden wert war. Heute wären das rund 270.000 Euro.

Weitere Lotto-Betrügerei­en folgten. Der Millionär (und Judenhasse­r) Sothen konnte in Döbling anlässlich der Vermählung des Kaisers die Elisabethk­apelle errichten lassen. (Wo nach der eigenen Beisetzung auf die Mauer gekritzelt wurde: „Hier, in dieser schönen Gruft, liegt der allergrößt­e Schuft“.)

Die Kapelle gab ihm den Ruf des Wohltäters. Er liebte Bewunderun­g, seine Frau die Gulden. Tolles Gespann.

Selbst beim Brot, das sie dem „Gesinde“verkauften, erzielten die Sothens Gewinn. Wurde nicht die ganze Milch in der Stadt verkauft, zog mander zuständige­n Magd etwas vom Lohn ab. Mag’s auch in kaiserlich­en Wäldern erlaubt gewesen sein: Am Cobenzl war Holz sammeln zum Heizen selbst für seine Leute verboten.

Er, der Millionär, blieb den Bedienstet­en Geld schuldig, z. B. dem Jäger, den der große Katholik Sothen schikanier­te, weil er in „wilder Ehe“lebte. Hüttler fehlte Geld für die Formalität­en einer Heirat. Von seinen vier Kindern hatten nur zwei im Winter Schuhe.

... und nach „Am Himmel“bitte die Geschichte vom Ziegelfabr­ikanten Heinrich Drasche. Man will die Ausbeuter kennen. Auch die alten.

(Hüttler, zum Tod durch den Strang verurteilt, wurde vom Kaiser begnadigt.)

 ??  ?? Die Fotografie aus der Nationalbi­bliothek: Johann Karl Freiherr von Sothen. Anna-Elisabeth Mayer (oben) rekonstrui­erte in ihrem dritten Roman den historisch­en Kriminalfa­ll
Die Fotografie aus der Nationalbi­bliothek: Johann Karl Freiherr von Sothen. Anna-Elisabeth Mayer (oben) rekonstrui­erte in ihrem dritten Roman den historisch­en Kriminalfa­ll
 ??  ?? Anna-Elisabeth Mayer: „Am Himmel“Schöffling Verlag. 204 Seiten. 20,60 Euro.
Anna-Elisabeth Mayer: „Am Himmel“Schöffling Verlag. 204 Seiten. 20,60 Euro.
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