Kurier (Samstag)

Fernsehen. Essen. Schlafen.

Tschulie. Eine (herzige) Wiener „Proletensc­hlampe“bekommt Hilfe aus einer anderen Welt

- – PETER PISA

Ach, Tschulie. Wenn sie im AMS gefragt wird, ob sie irgendwas interessie­rt, dann antwortet sie: Lesen. Bewegen. Malen. Kinder

Das hat Tschulie nämlich bei „Germany’s Next Topmodel“von einer Kandidatin gehört. Also sagt sie’s auch. Und muss die Beraterin zurückhalt­en, damit die ihr keinen Ausbildung­splatz als Kindergärt­nerin zuteilt.

In Wahrheit will Tschulie: Fernsehen. Essen. Schlafen. Zurzeit jobbt sie im Soli – also im Solarium. Eine Schulabbre­cherin, die von ihrer Mutter auf die Straße bugsiert wird, weil die mit ihrem neuen Lebensgefä­hrten allein sein will.

Dann lernt sie einen Typen kennen, der sieht zwar wie der hochbegabt­e Sheldon aus der TV-Serie Big Bang Theory“aus. Aber er kann immerhin auf dem Computer alle Kinofilme streamen. Dafür entjungfer­t Tschulie den Buben gern. Als sie bei ihm einziehen will, ist er lieber nicht zu Hause, aber seine Mutter ... und das wird jetzt noch besser.

Hurra, Klischee!

Denn zwar ist das eine andere Welt, anderersei­ts ist auch dieser wohlhabend­en Frau recht fad im Kopf. Sie würd’ gern malen. Aber sie macht es nicht. Schaut sich die um 20 Jahre ältere Karin ab sofort gemeinsam mit der „Proletensc­hlampe“Seifenoper­n im Fernsehen an?

Was Silvia Pistotnig – Klagenfurt­erin in Wien – geschriebe­n hat, ist nicht nur sehr vergnüglic­h. Sondern gesund: Was als Karikature­n beginnt, wird allmählich so echt menschlich, und da kann man nicht abwehren: Pah, lauter Klischees.

Herrlich ist das, weil man es ja normalerwe­ise ja nicht laut sagen darf, dass Klischees passen können.

„Die Alte“nimmt Tschulie in einen esoterisch angehaucht­e Frauengrup­pe mit, damit etwas wird aus ihr. Wodka mit Red Bull trinkt dort niemand. Tschulie könnte depressiv werden – seit sie in „Vampire Diaries“gehört hat, was das ist.

Wieder eine feine Entdeckung des kleinen Milena Verlags aus der Wiener Josefstadt. Silvia Pistotnig hat etwas drauf, das man lieben muss. Sprache nämlich. Witz. Und Herz.

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Entdeckung: Silvia Pistotnig, 40
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Silvia Pistotnig: „Tschulie“Milena Verlag. 256 Seiten. 23 Euro.

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