Comeback von Eminem
Mit der neuen CD „Revival“kann der Rapper nicht überzeugen.
„Warum sind die Erwartungen so hoch? Meine Arme, ich strecke sie, aber ich kann nichts erreichen!“
Das ist eine Zeile aus „Walk On Water“, der ersten Single aus Eminems neuem Album „Revival“. Sie zeigt, wie unsicher sich der 45-Jährige in Bezug auf sein Comeback ist. Vom „Fluch des Standards“, den er selbst gesetzt hat, ist in dem Song später die Rede, von der verzweifelten Suche nach Versen, die er noch nicht ausgespuckt hat, von Druck und der Angst vor schlechten Kritiken und Misserfolg.
Seine Skepsis gegenüber dem, was er mit „Revival“abliefert, ist durchaus berechtigt. Tatsächlich klingt das Album nach einem Mann, der genauso krampfhaft wie verkrampft den Anschluss sucht – sowohl an seinen eigenen Standard, als auch an all jene, die heute die Szene bestimmen.
Eminem hat sich nämlich für die Features an Stars wie Ed Sheeran, Beyoncé und Pink gewandt. „Ich wollte mehr Bandbreite bieten, für jeden etwas“, erklärte Eminem in Bezug auf den Sound von „Revival“. Doch seine Flirts mit der Pop-Welt funktionieren nicht.
Während man dem Beyoncé-Duett „Walk On Water“noch zumindest Ohrwurm-Qualitäten und Hitpotenzial zusprechen kann, wirkt die aktuelle Single „River“mit Ed Sheeran wie ein passabler (aber nicht außergewöhnlicher) Ed-SheeranHit, der von einem EminemRap unterbrochen wird. Das sind zwei Welten die – zumindest hier – keine überzeugende Verbindung finden.
Ideenlos
Ähnlich gezwungen und ideenlos klingt Eminem bei „Remind Me“, bei dem er über Joan Jetts „I love Rock ’n’ Roll“rappt, und den Refrain in „I love you“abändert, oder bei „In Your Head“, für das er in ähnlicher Weise „Zombie“von den Cranberries verwurstet.
Bei den Songs, die Eminem alleine bestreitet, sind viele der Beats wirr. Es gibt jede Menge Puzzle-Stücke, die einzeln genommen viel ver- sprechen, hier aber wie zufällig aufeinandergeworfen wirken undsich nicht verzahnen.
Ein Beispiel dafür ist „Chloraseptic“, bei dem noch dazu kommt, dass Eminem in seine Paraderolle als wüt- ender junger Mann schlüpft. Als dieser hat er die heute gefürchteten Standards gesetzt, aber der ist er nicht mehr. Wie häufig auf „Revival“ist sein ungestümer Hass mehr Pose denn Gefühlsausdruck.
Es gibt Ausnahmen: Glaubwürdig, bissig und packend wird Eminemin „Arose“und „Framed“. Und wenn er in „Like Home“über Trump schimpft, wobei die Spannung dieses Tracks bald von einem allzu poppigen Refrain von Alicia Keys gebrochen wird.
Es ist tatsächlich so: Eminem streckt sich, kann seinen Standard aber nicht mehr erreichen.