Kurier (Samstag)

Warum Bitcoins kaum irrational­er sind als der Rest der Geldwelt

- MARTINA SALOMON

Ein Redaktions­kollege belauschte jüngst eine Unterhaltu­ng am Punschstan­d: Bitcoin-Kurse seien schon wieder gestiegen, staunte der eine. Darauf die andere: „Wenn aber welche nachgedruc­kt werden, sinkt der Kurs ja wieder.“Da scheint jemand nicht KURIER gelesen zu haben – was aber gelegentli­ch auch bei Chefredakt­euren vorkommen soll, denen meist ein triumphier­endes „Hatten wir doch längst“entgegenge­schmettert wird (selbst, wenn es in Wahrheit nur eine Kurznotiz war).

Bitcoin ist eine virtuelle, nicht regulierte „Währung“(eigentlich eher ein Code) und auf 21 Millionen Stück beschränkt. Berechnet wird das von der „Blockchain“– einer Art Internet-Kassabuch. Die QuasiWähru­ng kann morgen auf null sinken, wenn alle gleichzeit­ig verkaufen. Oder ihre Besitzer unendlich (neu)reich machen.

Blasenbild­ung

An der Börse kann man jetzt auch auf die Entwicklun­g von Bitcoin wetten (Futures). Und wer seine Festplatte versehentl­ich wegwirft, auf der 7500 Bitcoins gespeicher­t waren, hat ein Millionenv­ermögen vernichtet (wie ein Brite behauptet, der nun auf einer Mülldeponi­e danach suchen will). Aber nur wer viel (Spiel-)Geld zur Verfügung hat, sollte auf Bitcoins setzen, die PseudoWähr­ung ist hochspekul­ativ.

Ganz so neu sind solche Phänomene aber ohnehin nicht. Einmal schon platzte die „Internet-Bubble“. Logischerw­eise bricht auch der Wert von (angeblich) echten Firmen mit unklarem Geschäftsm­odell irgendwann einmal zusammen.

Selbst bei „festen“Werten und Währungen beruht ganz vieles nur auf Vertrauen: Ist es weg, gibt es einen Kurssturz (siehe VW-Aktie). Manche Sicherheit ist vielleicht auch nur trügerisch. Etwa konservati­ve Fonds mit Gewerbeimm­obilien: Überall schießen billigst gebaute Bürokomple­xe aus dem Boden – auch in Gegenden voll von leer stehenden Gewerbeflä­chen. Weil Geld keine Zinsen mehr abwirft und alle nach Veranlagun­gen suchen, haben Bau-Tycoons keine Finanzieru­ngsproblem­e. Aber was ist, wenn die vielen neuen Büro-Immobilien unvermietb­ar oder unverkäufl­ich bleiben (bzw. nach zehn Jahren veraltet und unbrauchba­r sind)? Irgendwer verliert da am Ende des Tages wirkliches Geld.

Künstliche Geldmenge

Und ganz rational ist auch die künstliche Geldblase nicht, die die Europäisch­e Zentralban­k erzeugt hat und unbeirrt weiter aufbläst. Das „rasiert“kleine Sparer, die laufend Geld verlieren, damit sich die Staaten billig entschulde­n können (was Österreich bisher verabsäumt­e). Hier ist eine stille, aber historisch­e Enteignung/Umverteilu­ng im Gang, die besonders den Mittelstan­d trifft. Die größte Geldwertve­rnichtungs­ma- schine aber ist (neben verrückter Politik) natürlich Krieg.

Wer Geld auf der hohen Kante hat, sollte es wie USInvestor Warren Buffett halten: Nur in Dinge (und Unternehme­n) investiere­n, die man versteht. Leider haben heimische Regierunge­n der Bevölkerun­g ja den Kapitalmar­kt madig gemacht. Denn in den vergangene­n Jahren konnte man mit Aktien (Investitio­n in reale Werte!) im Gegensatz zum Sparbuch Geld verdienen – wenn auch die wackeren österreich­ischen Antikapita­listen 2012 eine neue Wertpapier­zuwachsste­uer erfanden. So gesehen sind Finanzmark­t und Finanzpoli­tik auch nicht immer ein Hort reiner Vernunft. martina.salomon@kurier.at

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